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Italien ist nach Griechenland der am höchsten verschuldete Eurostaat.

Foto: AP/Andrew Medichini

Brüssel – Die EU-Kommission will gegen Italien im Budgetstreit ein Defizitverfahren einleiten. Dieses könnte in finanziellen Sanktionen enden. Die Analyse lege nahe, dass das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und des Stabilitätspakts "als nicht erfüllt angesehen werden sollte und ein Defizitverfahren auf Grundlage des Schuldenstandes daher angebracht ist", erklärte die Kommission am Mittwoch.

Im Fall Italiens liegt laut der Kommission ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt vor. Mit einem Schuldenstand von 131,2 Prozent des BIP im Jahr 2017, was 37.000 Euro pro Einwohner entspreche, liege der öffentliche Schuldenstand Italiens über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 Prozent. Die Neubewertung der EU-Kommission sei notwendig gewesen, da Italiens Budgetplanung für 2019 eine wesentliche Änderung bringe.

Mögliche Geldstrafe in Milliardenhöhe

Hohe Bußgelder könnten damit auf Italien zukommen. Diese können sich nach den EU-Regeln auf bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung belaufen. Diese lag in Italien 2017 bei gut 1,7 Billionen Euro. Die Geldstrafe könnte also bis zu 3,4 Milliarden betragen. Möglich ist auch, dass Italien Ansprüche auf Geld aus den europäischen Strukturfonds gekürzt werden. Bisher hat die EU noch nie eine Geldstrafe verhängt.

Der EU-Stabilitätspakt erlaubt ein Budgetdefizit von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit 2,4 Prozent bleibt Italien 2019 im Rahmen, liegt aber dreimal so hoch wie von der Vorgängerregierung versprochen.

Italien ist mit einer Quote von mehr als 130 Prozent des BIP nach Griechenland der am höchsten verschuldete Eurostaat. Das ist mehr als doppelt so hoch, wie es die EU-Regeln eigentlich erlauben. Dennoch will die Regierung das chronisch schwache Wirtschaftswachstum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln. Viele Ökonomen befürchten, dass der Plan nicht aufgehen wird. An den Finanzmärkten geht deswegen die Sorge um, dass Italien eine neue Eurokrise auslöst.

Defizitverfahren laut Dombrovskis begründet

Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis bezeichnetet das Defizitverfahren gegen Italien am Mittwoch als begründet. Der Entwurf, den Italien für das Budget 2019 vorgelegt habe, "könnte das Land wie einen Schlafwandler in die Instabilität laufen lassen", sagte Dombrovskis, weitere Sparprogramme würden drohen.

Es gehe um das Wohlergehen und den künftigen Wohlstand des italienischen Volkes. Daher sei es die Aufgabe der Kommission, auf die Gefahren hinzuweisen. "Das tun wir heute. Wir sind offen für einen Dialog mit der italienischen Regierung, aber die Situation muss angegangen werden", so Dombrovskis.

Premier Conte von Haushalt überzeugt

Italiens Regierungschef Giuseppe Conte will trotz der endgültigen Ablehnung des Budgetplans durch die Kommission daran festhalten. Die Regierung sei von dem Plan überzeugt, sagte Conte der Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch. Gleichzeitig kündigte er für Samstag ein Gespräch mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an.

Innenminister Matteo Salvini warnte die Kommission am Mittwoch vor der Einleitung eines Strafverfahrens. "Das wäre ein Fehler", sagte Salvini der Zeitung "La Nuova Sardegna". Die Budgetpläne der vergangenen fünf italienischen Regierungen, die die Kommission abgesegnet habe, hätten Italien und den Italienern zutiefst geschadet, kritisierte Salvini. "Ich begreife nicht, warum man gegen einen Budgetplan, der Beschäftigung in den Mittelpunkt stellt, Strafen verhängen soll."

Formaler Beschluss frühestens im Dezember

Das Defizitverfahren wird jedoch nicht sofort eingeleitet. Die EU-Staaten haben nun gut zwei Wochen Zeit für eine erste Einschätzung, bevor sie bei der Eurogruppe Anfang Dezember das Strafverfahren formal beschließen können. Ist das der Fall, würde die Kommission das Strafverfahren Anfang 2019 einleiten. Strafen könnten allerdings frühestens 2020 kommen.

Umgehend abstrafen werden Italien aber die Finanzmärkte. "In einer Situation sehr hoher Schulden plant Italien im Prinzip weitere Kreditaufnahmen", sagte Dombrovskis. Die Auswirkungen des Budgets dürften negativ sein. Es beinhalte keine wirksamen Maßnahmen, um das Wachstum anzukurbeln. Wegen der damit verbundenen Unsicherheiten werde es zudem für italienische Banken immer schwieriger, günstige Kredite an Unternehmen und Haushalte zu vergeben. Sowohl bei Staatsanleihen als auch bei italienischen Aktien gab es bereits deutliche Kursverluste. (APA, 21.11.2018)