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Der Sturz der Lira scheint vorerst beendet zu sein.

Foto: Reuters/Murad Sezer

Ankara – Der Rabatt gehört zur türkischen Verkaufsmasche wie der treuherzige Blick des Verkäufers und das bereitstehende Teeglas. Seit einem Monat werben Geschäftsleute in den türkischen Großstädten neben den bunt affichierten üblichen Preisnachlässen aber auch mit einem patriotischen Zehn-Prozent-Rabatt in den Schaufenstern: einem weißen Taferl mit roter türkischer Fahne und dem Slogan "Totalkampf gegen die Inflation". Den hat Berat Albayrak, der Finanzminister und Schwiegersohn von Staatschef Tayyip Erdoğan, der Privatwirtschaft verordnet.

Dass Albayrak demnächst den Sieg über die Inflation verkündet, ist schon absehbar. November könnte der Monat werden, in dem die Türkei über dem Berg ist. Zumindest, was die Rekordinflation angeht. Nach 24,5 Prozent im September und 25,2 im Oktober erwarten Marktbeobachter einen ersten Rückgang. 23,5 Prozent bis zum Jahresende lautet die Annahme, die man am häufigsten hört.

Ermutigende Zeichen

Für türkische Arbeitnehmer, die sich ohne Gehaltsanpassungen über dieses Jahr der Krise retten mussten, ist das belanglos. Doch die wirtschaftlichen Daten, die hinter der erwarteten Inflationsabschwächung stehen, sind eher ermutigend für die Regierung. Der enorme Anstieg der Erzeugerpreise in der Türkei ist bereits gebremst, der Output der Industrie im September deutlich um 2,7 Prozent im Vergleich zum Monat des Vorjahres geschrumpft.

Der autoritär regierende Erdoğan und sein Schwiegersohn machen daraus ein neues Heldenepos für das Land. Der "starke Wille der Türkei" habe die "Operation" zum Scheitern gebracht, die im August und September gegen die Lira und die wirtschaftliche Stabilität gerichtet war, dies behauptete Albayrak diese Woche in einer Rede vor Wirtschaftsvertretern in Istanbul. Die Türkei könne nicht mehr wie früher in eine Ecke gedrängt werden.

Hilfe vom Währungsfonds

Albayrak meinte damit die Finanzkrise von 2000 und 2001, als die Türkei Kredithilfe beim Internationalen Währungsfonds beantragen musste. Mit einer Bankenreform und einer strengen Haushaltspolitik gelang es der damals regierenden Koalition von Links- und Rechtsnationalisten, das Land bald wieder auf die Spur zu bringen. Den politischen Nutzen aber hatte damals die neue konservativ-islamistische AKP von Erdoğan. Eine Mehrheit der Türken wählte sie im November 2002 aus Verärgerung über die jahrelange Misswirtschaft und Korruption.

Seitdem ist der IWF ein rotes Tuch für Ankara und eine schwere Wirtschaftskrise die einzige Furcht des Erdoğan-Regimes vor einem Machtverlust. "Der IWF wird 2019 kommen", sagt gleichwohl der regierungsunabhängige türkische Analyst Atilla Yeşilada voraus. Und käme er nicht, gäbe es kein Ende dieser Krise, warnt Yeşilada.

Währungskrise aufgehalten

Denn einerseits scheint die Türkei vorerst den Sturz der Lira aufgehalten zu haben. Seit der Freilassung des lange inhaftierten US-Pastors Andrew Brunson im Vormonat und der Verbesserung der türkisch-amerikanischen Beziehungen haben die Finanzmärkte von der Türkei abgelassen. Die Lira steht derzeit um die 5,30 für einen Dollar. 30 Prozent an Wert verlor sie allein dieses Jahr. Doch die türkische Nationalwährung war auf dem Höhepunkt der Spannungen mit Washington im Sommer auch einmal knapp bei der Marke von sieben Lira.

Andererseits aber ist das Dollarschuldenproblem der türkischen Privatwirtschaft und letztlich des Staats aber nicht gelöst. 179 Milliarden Dollar müssen nach Schätzungen von JP Morgan bis Juli 2019 in irgendeiner Weise bedient werden – gestreckt, umgewandelt oder tatsächlich bezahlt. Die schiefe Finanzlage der Unternehmen macht sich schon in Serie von Firmenpleiten bemerkbar. (Markus Bernath, 22.11.2018)