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Die Festegenommenen hätten die großen regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 mitgesteuert, sagte Erdoğan am Mittwoch.

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Ankara/Berlin – Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan hat am Mittwoch die international scharf kritisierte Festnahme von 13 prominenten Akademikern und Vertretern der Zivilgesellschaft verteidigt. Diese Menschen hätten die großen regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 mitgesteuert, sagte Erdoğan, der damals äußerst scharf gegen die Massendemonstrationen vorgegangen war, vor türkischen Ortsvorstehern.

Sie seien Teil eines "Projekts" gewesen, das zum Ziel habe, "der Türkei Fesseln anzulegen". "Sollen wir denen etwa mit Toleranz begegnen?", fragte er. Die Gezi-Proteste hatten sich im Mai 2013 an Plänen zur Bebauung des zentralen Gezi-Parks in Istanbul entzündet, doch nach einem brutalen Polizeieinsatz gegen Umweltschützer in der Grünanlage rasch zu einer landesweiten Protestbewegung gegen Erdoğan ausgeweitet. Erst nach mehreren Wochen wurden die Proteste niedergeschlagen, die von breiten Teilen der türkischen Opposition und der Zivilgesellschaft unterstützt wurden.

Wieder auf freiem Fuß

Die meisten der am vergangenen Freitag Festgenommenen sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Hochrangige EU-Vertreter haben aber angekündigt, die Affäre am Donnerstag bei einem Treffen in Ankara anzusprechen.

Ziel der Festnahmen war das Umfeld des bereits seit einem Jahr ohne Anklageschrift inhaftierten Vorsitzenden des Kulturinstituts Anadolu Kültür, Osman Kavala. Anadolu Kültür arbeitet auch mit dem deutschen Goethe-Institut zusammen. Erdoğan bezeichnete Kavala am Mittwoch als "Finanzquelle der Terroristen" und unterstellte ihm Verbindungen zum US-Philanthropen George Soros.

Im Zusammenhang mit den Angriffen gegen Kavala geriet am Mittwoch auch eine deutsche politische Stiftung ins Visier. Zwei große regierungsnahe Zeitungen – "Daily Sabah" und "Star" – beschrieben Kavala als Marionette Europas und erwähnten unter anderem Verbindungen zur SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

Friedrich-Ebert-Stiftung im Visier

Einige in der Türkei aktive politische Stiftungen hatten während der Abkühlung des deutsch-türkischen Verhältnisses in den vergangenen Jahren über Schwierigkeiten geklagt. FES-Türkei-Chef Felix Schmidt sagte, die Stimmung habe sich jüngst eigentlich wieder entspannt. Ob es sich bei den Artikeln, die auf die FES verwiesen, um einen Zufall oder um das Symptom einer "neuen Verhärtung" der Beziehungen handle, könne er noch nicht sagen.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) mahnte am Mittwoch die Türkei erneut zur Einhaltung von Kunst- und Meinungsfreiheit. Das Land müsse die rechtsstaatlichen Standards wahren, zu denen es sich selbst verpflichtet habe, sagte Maas bei einer Ausstellungseröffnung der Kulturakademie Tarabya in Berlin laut vorab verbreitetem Redetext. Der SPD-Politiker kündigte an, sich weiter für die Freilassung von inhaftierten Kulturschaffenden in der Türkei einzusetzen.

Bei der Veranstaltung im Museum Hamburger Bahnhof stellten Stipendiaten der 2012 eröffneten deutschen Kulturakademie in Istanbul ihre Arbeiten vor. Die Werke zeigten, wie intensiv sich die Künstler mit der aktuellen Lage in der Türkei, aber auch in Deutschland auseinandergesetzt hätten, sagte Maas. "Es gibt kaum ein anderes Land, zu dem Deutschland engere menschliche Beziehungen hat als zur Türkei." (APA, 21.11.2018)