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John Roberts (links) übte am Mittwoch scharfe Kritik an US-Präsident Donald Trump.

Foto: REUTERS/Jonathan Ernst

Washington – Mit seiner Kritik an der angeblichen Parteilichkeit einiger Richter hat Präsident Donald Trump den Unmut des obersten US-Gerichts auf sich gezogen. Der Vorsitzende Richter des Supreme Courts, John Roberts, wies Trumps Vorwürfe am Mittwoch (Ortszeit) zurück und erklärte: "Wir haben keine Obama-Richter oder Trump-Richter, Bush-Richter oder Clinton-Richter."

Stattdessen gebe es eine herausragende Gruppe engagierter Richter, die ihr Bestes täten und jeden vor Gericht nach gleichen Maßstäben des Rechts behandelten, betonte der konservative Jurist. "Diese unabhängige Justiz ist etwas, für das wir alle dankbar sein sollten." Trump ließ diese Zurechtweisung nicht unwidersprochen – und teilte erneut aus gegen die Justiz.

Richter seien nicht dafür zuständig, die Sicherheit an der Grenze oder irgendwo sonst gesetzlich zu regeln, schrieb er auf Twitter. "Sie wissen nichts darüber, und sie machen unser Land unsicher." Die Sicherheitsbehörden müssten ihren Job machen dürfen, fügte der US-Präsident hinzu. Andernfalls werde dies zu "Tumult, Chaos, Verletzungen und Tod" führen.

Ungewöhnlicher Vorgang

Dass Mitglieder des Supreme Court sich öffentlich zur Tagespolitik äußern, ist schon für sich genommen ungewöhnlich. Dass Roberts mit knappen, aber doch kritischen Worten direkt dem Präsidenten zu widersprechen scheint, lässt erst recht aufhorchen – zumal er einst selbst von den Republikanern eingesetzt wurde. Zwar ist es auch keineswegs alltäglich, dass ein US-Präsident die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellt und einzelne Richter wegen unliebsamer Urteile rügt – im Fall von Trump ist es aber zumindest nicht neu.

Auslöser für Trumps Ausbruch in diesem Fall ist eine richterliche Entscheidung vom Montag. Das Bundesbezirksgericht in San Francisco hatte Trumps jüngste Verschärfung der Asylregeln per einstweiliger Verfügung gestoppt. Es gab damit einer Klage von Organisationen statt, die für die Rechte von Einwanderern eintreten. Trump attackierte daraufhin den zuständigen Richter Jon Tigar und warf ihm Parteilichkeit vor: Er bezeichnete Tigar als "Obama-Richter", da dieser von seinem Amtsvorgänger Barack Obama eingesetzt worden war.

Trump: Gerichtsbezirk "eine Schande"

Trump beklagte sich zugleich über den gesamten Gerichtsbezirk, zu dem Tigar gehört. "Bei jeder Klage, die im Neunten Gerichtsbezirk eingereicht wird, werden wir geschlagen", sagte er. Das werde so nicht weitergehen. "Der Neunte Gerichtsbezirk ist wirklich etwas, das wir uns anschauen müssen. Es ist eine Schande."

Nach dem altersbedingten Rückzug des moderaten Richters Anthony Kennedy hatte Trump kürzlich gegen allergrößte Widerstände die Berufung seines konservativen Wunschkandidaten Brett Kavanaugh an den Supreme Court durchgesetzt – und so das politische Kräfteverhältnis am Gericht nach rechts gerückt. Zuvor hatte einem liberalen Block aus vier Richtern ein konservativer Block aus vier Richtern gegenübergestanden. Kennedy hatte als neunter Richter mal mit seinen liberalen, mal mit seinen konservativen Kollegen gestimmt. (APA, 22.11.2018)