Nichts erreicht: Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenministerin Karin Kneissl sprachen im September den türkischen Staatschef Tayyip Erdoğan bei einem Treffen am Rand der UN-Vollversammlung auf den Fall Zirngast an. Erdoğan verwies auf die angebliche Unabhängigkeit der türkischen Justiz.

APA / Roland Schlager

Der Politikstudent, Aktivist und Autor Max Zirngast ist seit September in Untersuchungshaft im Gefängniskomplex Sincan bei Ankara. Vorgeworfen wird ihm die Mitgliedschaft in einer obskuren, selbst von türkischen Gerichten für nichtterroristisch erklärten linken Gruppe.

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Er treibt Sport, wartet auf die Morgensonne im Zellenfenster und versucht, bei der Haftkost vegan um die Kurve zu kommen. Vor allem aber schreibt Max Zirngast: Briefe nach Hause und für die interessierte Öffentlichkeit, Anträge an die Gefängnisverwaltung, politische Gedanken für ein späteres Buch. Der 29-jährige Steirer sitzt seit September im Hochsicherheitsgefängnis in Sincan bei Ankara. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer linksgerichteten Terrororganisation, die es laut türkischen Gerichtsentscheiden gar nicht gibt.

Das Außenministerium in Wien aktualisierte im Vormonat seine Reisewarnung für die Türkei. Neues in der Causa Zirngast hat sie nicht zu vermelden. Die Grenze zwischen stiller Diplomatie und Stillstand ist schwer auszumachen. Je kleiner die Flamme, auf der die Angelegenheit gekocht werde, umso besser, sagt ein Diplomat. Doch mehr als zwei Monate nach der Festnahme Zirngasts in seiner Wohnung in Ankara und der Überstellung in die Untersuchungshaft hat die österreichische Regierung praktisch nichts erreicht.

Ankara ignorierte Kurz

Weder hat die türkische Justiz ihre Vorwürfe gegen den Studenten und Autor präzisiert, wie es Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei seiner einzigen Stellungnahme im September forderte. Noch vermochte die Erwähnung des Falls Zirngast im Gespräch zwischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Tayyip Erdoğan am Rand der UN-Vollversammlung in New York irgendeinen Eindruck auf den autoritären türkischen Staatschef zu machen. Die österreichische Seite nahm vielmehr Erdoğans Verweis auf die Unabhängigkeit der türkischen Justiz hin.

Insgesamt neun Österreicher sitzen derzeit in türkischen Gefängnissen. Neben Zirngast sind es türkisch- oder kurdischstämmige österreichische Staatsbürger. Ihre Angehörigen halten sich an den Maulkorberlass, den das Ministerium intern ausgegeben haben soll. An die Öffentlichkeit gehen sie – wie von den Diplomaten angeraten – nicht. Doch ihre Verzweiflung über die scheinbare Tatenlosigkeit der Regierung wächst mit jedem Tag. Die Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast in Wien hat mittlerweile ein Spendenkonto eingerichtet, um die Anwaltskosten und die Verpflegung des inhaftierten jungen Autors mitzutragen. Zirngasts Eltern durften mittlerweile ihren Sohn besuchen.

Renner-Preis für Zirngast

Am 18. Dezember wird Max Zirngast den diesjährigen Karl-Renner-Solidaritätspreis erhalten. Die Laudatio für die "erste österreichische Geisel Erdoğans", wie es der Juryvorsitzende und Präsident des Österreichischen Journalistenclubs, Fred Turnheim, formulierte, wird die deutsche Journalistin Meşale Tolu halten. Sie war im Dezember vergangenen Jahres aus der Untersuchungshaft in Istanbul entlassen worden. Die deutsche Regierung hatte Druck gemacht. (Markus Bernath, 22.11.2018)