Mit Nominierungen für einen Oscar und einen Grammy schien 2009 für die britische Rapperin und Künstlerin M.I.A. zunächst alles gut zu laufen. In ihrem Herkunftsland Sri Lanka eskalierte indessen der Bürgerkrieg. M.I.A. nützte ihre Bekanntheit, um auf die prekäre Situation der tamilischen Minderheit, zu der sie sich zählt, aufmerksam zu machen. Als sie auf dem roten Teppich bei der Grammy-Verleihung vor laufender Kamera kritisierte, dass ihr Bürgerkriegskommentar aus einem CNN-Interview herausgeschnitten worden war und nur die Musik Thema war, erntete sie bei der Reporterin wenig Verständnis: "Sie sind die Erste, die sich beklagt, dass es zu sehr um sie selbst geht. Die meisten würden sich darüber freuen."

Scheut sich nicht davor, anzuecken: die als M.I.A. bekannte Künstlerin und Musikerin Matangi "Maya" Arulpragasam.
Foto: Stadtkino Filmverleih

Rassismus und Sexismus

Der Gegenwind aus Ignoranz und teils unverhohlenem Rassismus und Sexismus, der M.I.A. auf dem kommerziellen Gipfel ihrer Karriere entgegenbläst, beschert Steve Loveridges Dokumentarfilm Matangi/Maya/M.I.A. irritierende dramaturgische Höhepunkte. Mit Videos wie Born Free eckt M.I.A. ebenso an wie mit ihrem Bad Girl-Auftritt beim Superbowl. In der TV-Show von Stand-up-Comedian Bill Maher, gern dem progressiven Lager zugeschlagen, stößt M.I.A. auf pure Süffisanz. Als sie sich erneut mit den Tamilen solidarisiert, spielt Maher auf ihren Cockney-Akzent an: "Wenn Sie von dort kommen, dann erklären Sie den Amerikanern, warum Sie wie Mick Jagger klingen."

Seine zentrale Frage stellt Steve Loveridges Dokumentarfilm Matangi/Maya/M.I.A. gleich am Anfang: "Warum bist du ein problematischer Popstar?" Bezeichnenderweise fällt die Frage am Rande des Drehs zum Video Borders, mit dem M.I.A. 2015 Flüchtlingsbewegungen ins Bild rückte. Auch Loveridge legt seinen Film über die befreundete Künstlerin nicht als klassische Musikerdoku, sondern ganz wesentlich als Erzählung einer Migrantenbiografie an.

Trailer zu "Matangi/Maya/M.I.A."
M.I.A.

M.I.A., geboren als Matangi "Maya" Arulpragasam in Westlondon, wächst im Norden Sri Lankas auf. Während der Vater als führendes Mitglied der umstrittenen, von der EU als terroristische Organisation eingestuften Widerstandsbewegung Tamil Tigers in Sri Lanka bleibt, flüchtet sie wegen des Bürgerkriegs 1985 als Zehnjährige mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach London.

Dort besucht sie die Kunstschule, unternimmt erste Gehversuche als Dokumentarfilmerin, wendet sich nach ihrer ersten Begegnung mit Hip-Hop der Musik zu. Nach Anfängen im Windschatten von Justine Frischmann und deren Alternative-Rock-Band Elastica startet M.I.A. eine erfolgreiche Solokarriere. Frischmann attestiert ihrer Freundin: "Du hast ein Ego-Problem."

Loveridges Film bezieht zwar die Position von M.I.A., ist aber keine Hagiografie, gibt immer wieder Widersprüchen Raum. Der Großteil des verwendeten Filmmaterials stammt aus einem Fundus von 700 Stunden, den die Porträtierte selbst zur Verfügung gestellt hat. Es sind oft sehr persönliche Videonotizen, die Loveridge, durchbrochen von klug gesetzten Einschüben, weitgehend chronologisch montiert hat. Die ungehobelte technische Qualität des Videomaterials wird durch Nähe kompensiert. Immer nur kurz angerissen werden Musikvideos und Bühnenauftritte, in denen sich M.I.A. als charismatische Performerin offenbart.

Loveridge habe dem zur Verfügung gestellten Material jede Coolness genommen, zu wenig auf die künstlerischen Prozesse fokussiert, hat M.I.A. zwischenzeitlich das filmische Endergebnis kritisiert – und es dennoch beworben. Der Einwurf wiegt wenig angesichts eines vibrierenden Porträts, das stimmig vor Augen führt, dass am Engagement von M.I.A. eben nichts Pose ist, sondern authentischer Ausdruck einer Biografie, die mit einer restriktiven Einwanderungspolitik nie Wirklichkeit geworden wäre. (Karl Gedlicka, 23.11.2018)