Am präsentesten ist Heinz-Christian Strache noch am Cover seiner Biografie.

Foto: stocker verlag

Wien – Um dem behandelten Werk gerecht zu werden, müsste diese Rezension eigentlich mit einer detaillierten Abhandlung über die Textsorte Biografie an sich begonnen werden. Denn das entspräche dem Zugang, den der Autor Martin Hobek für die Vizekanzlerbiografie HC Strache. Vom Rebell zum Staatsmann wählte. Es wäre aber wohl nicht sehr leserfreundlich.

Strache signierte die Biografie in der Wiener Buchhandlung Frick am Donnerstagabend. Ein großes Polizeiaufgebot und eine Gegendemonstration begleiteten die Veranstaltung.
DER STANDARD

Vom Verlag wird das Buch als "ein kundiges Psychogramm" von Heinz-Christian Strache angekündigt, das "auch" Einblick in das Innenleben der österreichischen Politik gebe. Das vermeintliche Psychogramm stellt sich mit fortschreitender Lektüre immer mehr als ein einziger Exkurs heraus, der am Rande offenbar eher aus Verlegenheit die Person des Vizekanzlers streift. Eine ausführliche Betrachtung der politischen Vision Straches? Hintergründe, die ein umfassendes Bild des Menschen hinter der politischen Figur zeichnen? Eine reflektierte Darstellung von Straches Entwicklung als Politiker? Fehlanzeige.

"Molotow-Müsli"

Stattdessen lernen die Leser der autorisierten "Biografie" viel über persönliche politische Vorlieben des Autors – der laut Verlagsmeldung ein "langjähriger Weggefährte und kritischer Begleiter" des FPÖ-Chefs sei, seine Strache-kritische Ader beim Verfassen des Buchs aber stark unterdrückt haben dürfte. Womöglich hat das mit seiner Funktion als blauer Gemeinderat in Wien zu tun. Wer Interesse an den "linksextremen Umtrieben der Grünen" zeigt, kennt Hobek als Autor von Molotow-Müsli. Und wohl auch den Leopold-Stocker-Verlag, der immer gerne Werke von Rechten und ganz Rechten abdruckt.

Dem ehemaligen Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist ein ganzes Kapitel gewidmet, das eher der persönlichen Abrechnung mit dem Stadtchef zu dienen scheint. Ein weiteres, wenngleich lobhudelnderes Kapitel behandelt den ersten FPÖ-Bezirksvorsteher in Wien, Paul Johann Stadler aus Simmering. Strache spielt darin nicht wirklich eine Rolle, geschweige denn erfährt man etwas Neues über den späteren Vizekanzler der Republik.

Dem Fußballverein Wiener Sportclub widmet Hobek gleich vier Seiten (und legt dabei den Schwerpunkt auf die offenbar verhasste linke Vereinsführung, nicht auf die sportliche Karriere Straches im Klub). "Ist das überhaupt ein eigenes Kapitel wert, werden sich viele Leser fragen", schreibt er (Ist es nicht!, Anm.) und rechtfertigt es dann damit, dass der Klub "zur rundledernen Versinnbildlichung der Wiener Stadtpolitik" verkommen sei – nicht etwa damit, dass der Verein etwas über den Mann verrät, der zigfach auf dem Buchcover abgedruckt ist.

Blinder Fleck Neonazi-Szene

Man möchte Hobek wohlmeinend unterstellen, dass er einfach gerne ausschweifend erzählt und dabei das eigentliche Thema aus dem Blick verliert. Womöglich hatte der "kritische Begleiter" aber auch ein bisschen Platz zu füllen, weil er Straches Vergangenheit im Neonazi-Milieu großzügig aussparte: Für den Autor beginnt der politische Hintergrund des FPÖ-Chefs mit dem Eintritt in seine jetzige Partei.

Dass sein väterlicher Freund, der Nazi Norbert Burger, und die Wehrsportübungen mit dem Neonazi Gottfried Küssel im Kärntner Wald ihren Teil zu Straches politischer Sozialisierung beigetragen haben könnten (in welcher Form auch immer), ist Hobek keine Zeile wert. Wenn von Berührungspunkten zum Rechtsextremismus die Rede ist, dann nur als von linken Medien angedichtete Vorwürfe.

Heinz-Christian Strache hätte ausreichend Stoff für eine aktuelle Biografie hergegeben. Vom Rebell zum Staatsmann ist leider keine geworden. (Sebastian Fellner, 22.11.2018)