Membranfreie Mikrotröpfchen (Koazervate) unter dem Mikroskop. Die grüne Fluoreszenz dient als Nachweis für die enzymatische Aktivität der eingeschlossenen RNA.

Foto: Drobot und Tang / MPI-CBG

Eine der grundlegendsten Fragen der Biologie wartet noch immer auf eine befriedigende Antwort: Wie konnte vor annähernd 4 Milliarden Jahren auf der Erde aus unbelebten Stoffen Leben entstehen? Hypothesen dazu gibt es freilich viele und eine davon basiert auf RNA, einer der DNA ähnlichen Nukleinsäure. Die Hypothesen geht davon aus, dass RNA-Moleküle zu der Zeit als das Leben begann eine Schlüsselrolle gespielt haben, da sie genetische Informationen enthalten und als Enzyme wirken.

Eine Voraussetzung für die RNA-Aktivität ist jedoch, dass sich eine bestimmte Anzahl von Molekülen in unmittelbarer Nähe zueinander befindet. Die nötige RNA Anreicherung könnte in abgegrenzten Räumen stattgefunden haben. Membranfreie Mikrotröpfchen, sogenannte Koazervate, bieten ideale Bedingungen dafür, da Biomoleküle wie RNA barrierefrei aufgenommen werden können. Jedoch fehlte bislang der experimentelle Nachweis für die enzymatische Aktivität von RNA in solchen Mikrotröpfchen. Nun aber haben deutsche Wissenschafter erstmals nachweisen können, dass einfache RNA in membranfreien Mikrotröpfchen aktiv ist und diese damit eine geeignete Umgebung für den Ursprung des Lebens sind.

Wie RNA zueinander fand

Die RNA-Welt-Hypothese besagt, dass das Leben aus sich selbst reproduzierenden RNA-Molekülen entsteht, einem Biomolekül, das vor der Evolution von DNA und Proteinen existierte. Dieser Hypothese folgend, gehen die Forscher davon aus, dass auf der frühen Erde die Konzentration von RNA und ihren Bausteinen möglicherweise zu gering war, als dass eine Reaktion stattfinden könnte.

Die verstreuten RNA-Moleküle mussten also einen Weg zueinander finden, um miteinander reagieren zu können und damit Leben hervorzubringen. Geeignete Orte für die Anreicherung von RNA könnten Kompartimente sein. Diese existieren entweder mit einer Membran, wie bei einer Zelle, oder ohne Membran. Membranfreie Kompartimente können durch Phasentrennung von entgegengesetzt geladenen Molekülen gebildet werden, ein Prozess, der der Trennung von Öltropfen in Wasser ähnlich ist.

Protozellen ohne Membran

In ihrer Studie im Fachjournal "Nature Communications" zeigten die Forscher erstmals, dass RNA in membranfreien Mikrotröpfchen aktiv ist, was die bisherige Hypothese unterstützt, dass solche Koazervate eine Art Protozelle darstellen und somit ein Vorläufer der heutigen Zellen sein könnten. Die Fähigkeit von Koazervaten, RNA anzureichern, könnte auch das Verdünnungsproblem von Biomolekülen gelöst haben. Darüber hinaus ermöglichen diese membranfreien Tröpfchen den barrierefreien Austausch von RNA.

"Eines der wirklich spannenden Ergebnisse ist, dass Koazervate wie ein kontrolliertes genetisches Transfersystem wirken, in dem kürzere RNA-Stücke zwischen Tröpfchen pendeln können, während längere RNA-Moleküle in ihren Mikrotröpfchen eingeschlossen sind. Auf diese Weise haben diese Protozellen die Fähigkeit, genetische Informationen auszutauschen, was ein wichtiges Kriterium für den Beginn des Lebens ist", erklärt Björn Drobot vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, Erstautor dieser Studie.

Reaktionsräume für synthetische Biologie

Diese Ergebnisse zeigen, dass membranfreie Mikrotröpfchen für eine gezielte Anreicherung von RNA förderlich sind. Schon in den 1920er Jahren wurde von dem russischen Wissenschafter Oparin angenommen, dass Koazervate die ersten Kompartimente auf der Erde gewesen sein könnten und bereits existierten, bevor sich Zellen mit einer Membran herausbildeten. "Unsere Studie ergänzt eine Reihe von Arbeiten aus meinem und anderen Laboren, die immer mehr Belege dafür liefern, dass Koazervate potentielle Kandidaten für die Kompartimentbildung während der Entstehung des Lebens sein könnten", meint Dora Tang vom MPI-CBG, die das Projekt leitete. Nicht zuletzt seien sie aber auch interessante Reaktionsräume für die moderne und synthetische Biologie. (red, 23.11.2018)