Bild nicht mehr verfügbar.

North Sentinel Island aus der Luft (Archivbild, November 2005)

Foto: AP/Gautam Singh,

Neu-Delhi – Nach der Tötung eines US-Bürgers durch Ureinwohner auf den indischen Andamanen-Inseln hat die indische Polizei am Freitag mit verstärkten Kräften Position nahe der Insel North Sentinel bezogen. "Um ein besseres und klareres Bild zu bekommen, wird ein weiteres Polizeiteam in die Gewässer von North Sentinel entsandt", sagte der Polizeichef der Andamanen, Dependra Pathak.

Die nur 150 noch lebenden Sentinelesen zählen zu den letzten sogenannten unkontaktierten Völkern. Sie wollen nichts mit der Außenwelt zu tun haben, Fremde müssen laut indischen Gesetzen fünf Kilometer Abstand zu ihren Gebieten einhalten. Der 27-jährige John Allen Chau wollte das Inselvolk offenbar zum Christentum bekehren.

Nach indischen Behördenangaben bestach er in der vergangenen Woche Fischer, um ihn in die Nähe der Insel zu bringen und fuhr dann per Kajak an Land. Die Ureinwohner töteten Chau daraufhin mit Pfeilen.

Keine Möglichkeit, rechtlich vorzugehen

Um Chaus Leiche oder den Ort seines Todes zu orten, hatte die indische Polizei bereits ein Schiff und einen Hubschrauber entsandt. Die Bemühungen blieben jedoch bisher erfolglos. Zwar wurde offiziell ein Mordfall registriert; Experten sehen jedoch keine Möglichkeit, dass die Behörden rechtlich gegen den Stamm vorgehen können.

Die Bergung der Leiche könnte Tage dauern. Da die indischen Behörden jedoch darauf verweisen, dass die Ureinwohner nicht gestört werden dürfen, ist unklar, ob die Leiche jemals geborgen werden kann.

Fünf Kilometer Sperrzone

Über das winzige Inselvolk, das jeglichen Kontakt zur Außenwelt und moderne Einflüsse auf seine Lebensweise ablehnt, ist nur wenig bekannt. Die indische Regierung akzeptiert den Wunsch der Inselbewohner nach Abgeschiedenheit und verbietet es, sich den Bewohnern auf weniger als fünf Kilometer zu nähern. Auf das Fotografieren und Filmen der Sentinelesen stehen mittlerweile strenge Strafen. Umso größer ist die Faszination, die das Inselvolk ausübt.

North Sentinel gehört zu den indischen Andamanen und liegt etwa 50 Kilometer westlich von Port Blair, der Hauptstadt des Archipels im Indischen Ozean. Mit einer Fläche von rund 75 Quadratkilometern besitzt die Insel nur weniger als ein Fünftel der Größe von Wien.

Nach Angaben der Organisation Survival International, die sich für den Schutz indigener Völker einsetzt, stammen die Sentinelesen von den ersten Gruppen des Homo sapiens ab, die von Afrika in andere Erdteile wanderten. Auf den Andamanen leben sie demnach bereits seit 60.000 Jahren. Andere Experten halten dies nicht für erwiesen, gehen aber zumindest davon aus, dass die Sentinelesen bereits seit mehreren tausend Jahren dort siedeln.

Kaum Fotos

Da Fremden der Zugang zu North Sentinel verboten ist, kann die Zahl der Bewohner nur geschätzt werden. Es sollen rund 150 Sentinelesen sein. Auf den wenigen Fotos, die aus der Luft von ihnen gemacht wurden, ist zu erkennen, dass sie dunkle Haut haben und keine Kleidung tragen.

Allerdings fertigen sie offenbar aus Blättern und anderen Naturmaterialien Schmuck wie Ketten oder Stirnbänder an. Chau schrieb kurz vor seinem Tod nieder, dass die Inselbewohner etwa 1,65 Meter groß und ihre Gesichter mit gelbem Puder bemalt seien.

Die Sentinelesen sind ein Volk der Jäger und Sammler und finden ihre Nahrung im Wald, der praktisch ihre gesamte Insel bedeckt, sowie im Meer. Laut Survival International ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Entwicklung der Sentinelesen in der Steinzeit stehen geblieben ist. Ebenso verwendeten sie mittlerweile auch Metall, das sie auf Schiffswracks finden oder das vom Meer angespült wird.

Der indische Anthropologe T. N. Pandit gehört zu den wenigen Fremden, die die Sentinelesen je von Nahem gesehen haben. Im September erzählte er der Wissenschafts-Website "Down to Earth", bei seiner Expedition im Jahr 1967 auf North Sentinel habe er eine Siedlung mit 18 Hütten und großen Lebensmittelvorräten gesehen, darunter Früchte und geräucherter Fisch. (APA, AFP, 23.11.2018)