Alles hängt zusammen: Forschern zufolge übernimmt der Magen eine Kontroll- und Filterfunktion für den Darm.

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Hohenheim/Graz – Ob der Magen die Bakterienvielfalt im Darm beeinflusst, war bislang unklar. "Die Wissenschaft ging davon aus, dass die Magensäure fast alle Mikroorganismen abtötet", sagt der Mikrobiomforscher Florian Fricke von der Universität Hohenheim. Das ist offensichtlich nicht der Fall, wie Fricke und sein Team in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz nun nachweisen konnten.

Die Wissenschafter entwickelten eine Methode, mit der man lebende, aktive Bakterien von toten unterscheiden und in ihrer Menge bestimmen kann. Damit gelang es erstmals, Schwankungen in der Zusammensetzung der ständigen Bewohner des Magens mit einem Gesamtzuwachs an Bakterien in Verbindung zu bringen. Demnach übt der Magen innerhalb des Magen-Darm-Trakts eine wichtige Kontrollfunktion auf die Verbreitung bestimmter Bakterien im Darm aus.

Das Problem der klassischen Mikrobiom-Forschung war bislang, dass die sogenannten sequenzabhängigen Verfahren ausschließlich DNA untersuchten – und damit den relativ stabilen molekularen Träger der Erbinformationen eines Bakteriums. "Damit erfassen sie lebende ebenso wie tote Bakterien. Es kann also nicht zwischen dem an den Magen angepassten Mikrobiom und von außen eingetragenen, inaktiven Bakterien unterschieden werden", erklärt Fricke.

Zwei dominante Bakteriengruppen

Aus diesem Grund nutzten die Hohenheimer und Grazer Forscher die PCR-Analyse, eine Methode zur Anreicherung und Sequenzierung von genetischem Material. Damit kann nicht nur die DNA, sondern auch die RNA – das sind kurze Nukleinsäure-Stränge, die nur in lebenden Zellen als eine Art Bote bei der Nutzung der Erbinformation fungieren – erfasst werden.

Neben Magenproben von Labormäusen wurden 24 Proben von Patienten analysiert. Die Forscher isolieren die DNA und die RNA jeweils separat aus allen Proben. "So konnten wir bestimmen, welche Bakterien insgesamt vorhanden sind und welche Anteile der Gesamtbakterien aktiv sind", erläutert Fricke. "Darüber hinaus können wir mit dieser Methode auch die Quantität der Bakterien bestimmen. Das heißt, neben den relativen prozentualen Anteilen der einzelnen Arten werden auch deren absolute Mengen ermittelt."

Das Ergebnis: Rund 90 Prozent der Magenbakterien in Mäusen und Menschen stammen von zwei dominanten Gruppen. Eine dieser Gruppen, die Laktobazillen in Mäusen und Streptokokken beim Menschen, ist mengenmäßig relativ konstant, während die andere Gruppe der Bacteroidetes stärker schwankt. "Interessant ist, dass die konstante Gruppe auch die aktiven, lebenden Bakterien ausmacht", betont Fricke. "Man kann daraus schließen, dass sie für das Magen-Mikrobiom entscheidendere Funktionen ausübt, während die kurzzeitig schwankende Gruppe möglicherweise mit der Nahrung oder über andere Wege in den Magen gelangt, dort aber nicht aktiv bleibt."

Magen kann Mikrobiom des Darms beeinflussen

Um die Funktionen des Magens noch genauer untersuchen zu können, entnahmen die Forscher auch eine Probe aus der Speiseröhre, drei an verschiedenen Stellen des Magens und eine aus dem Zwölffingerdarm. "Das Mikrobiom ist zwar überall relativ ähnlich, aber es gibt graduelle Unterschiede. Wir haben Gradienten bei bestimmten Bakterien gefunden, also Anstiege oder Reduktionen von der Speiseröhre bis in den Magen hinein, die danach, also zwischen Magen und Dünndarm, wieder gegenläufig sind. Im Magen werden diese Bakterien also gezielt angereichert oder abgereichert. Er scheint damit als Portal zum Darm eine Kontroll- und Filterfunktion auszuüben und kann so das Darm-Mikrobiom beeinflussen", interpretiert Fricke das Ergebnis.

Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Teilen des Magen-Darm-Trakts müssen aber noch besser verstanden werden, derzeit bewege man sich noch auf dem Feld der Grundlagenforschung, betonen die Wissenschafter. Möglicherweise lasse sich in Zukunft durch Abweichungen im Mikrobiom des Magens oder Mundraums auf bestimmte Erkrankungsrisiken des Darms schließen. Denkbar wäre etwa, dass bereits im Speichel Risiken für den Darm erkannt und behandelt werden können. (red, 25.11.2018)