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Barbara Frey, gebürtige Baslerin, ist nach neun Jahren Zürcher Theaterleitung kampfeslustiger denn je.

Foto: GAETAN BALLY / Keystone / picturedesk.com

Ausgerechnet zu Beginn ihrer letzten Spielzeit als Zürcher Schauspielintendantin blies Barbara Frey plötzlich eisiger Wind ins Gesicht. Während die gelernte Schlagzeugerin (im Verein mit Perkussionist Fritz Hauser) noch auf Festivals auf die Pauke haute, meldeten sich im Schweizer Blätterwald Nörgler nachdrücklich zu Wort.

Die Auslastung im Zürcher Haupthaus "Pfauen" sei mehr als bescheiden. Die Frau Intendantin nehme zu wenig Sponsorengeld ein. Auf Kritik reagiere sie beleidigt. In Sachen Frey legte die NZZ am Sonntag, sonst auf einen ruhigen, kirchhofähnlichen Ton gestimmt, ihren Lesern einen vermeintlichen Sündenkatalog auf das calvinistische Lesepult.

Zur Stunde probt Frey, als Intendantin eine ebenso konzentrierte wie textaffine Regisseurin, die erst kürzlich in Zürich Hamlet inszeniert hat, die Weihnachtskomödie Schöne Bescherungen von Alan Ayckbourn am Wiener Burgtheater (Premiere: 1. Dezember). Im Gespräch nennt sie den Artikel "sehr entlarvend für den, der ihn geschrieben hat". Den Anwürfen begegnet sie mit Fakten. Die Auslastung in Zürich sei die beste seit der Ära von Gerd Leo Kuck, also die beste seit 20 Jahren, wie die Vergleichszahlen zeigen.

Kampf den Gerüchten

Polemiken wie die vorliegende nähren recht grundlegend den Verdacht, hier würde einer Frau in kultureller Leitungsposition abschließend der Prozess gemacht. Ins trübe Bild fügt sich, dass man Frey sicherheitshalber gleich nachgesagt hat, sie sei mit den Findungskommissionären des Theaters in Basel ohnehin schon handelseins (Andreas Beck wechselt bekanntlich an das Münchner Residenztheater).

Kein Wort wahr, sagt Frey. "Zweimal hieß es, ich stünde kurz vor der Leistung der Unterschrift. Weder hatte ich einen Stift in der Hand, noch habe ich jemals mit der Findungskommission gesprochen." Der männlich dominierte Markt schlägt durch auf seine schwächeren Teilnehmer: die Frauen. Während sich an anderen Theatern männliche Leitungspersönlichkeiten mit Zusatzgagen brüsten, wird im Falle Freys insinuiert: Sie schanze sich – als inszenierende Intendantin – das ihr anvertraute Geld selber zu.

Das Marktgeschehen zuungunsten von Künstlerinnen möchte Frey, ohnehin eine ruhige, selbstsichere Persönlichkeit, nicht dramatisieren: "Wir befinden uns in einer Art Dauerwettrennen. Aber davon müssen wir uns in der konkreten Arbeit komplett verabschieden. Wir müssen in den Köpfen Großzügigkeit walten lassen." Kollegenschelte sei von ihr ohnehin nicht zu haben: "Es geht um die Vielfalt, man muss einander leben lassen und respektieren."

Unterdessen gibt es aber ein mit Händen zu greifendes Unbehagen am Theater. Intendanten agieren – auch nach Meinung vieler Betroffener – "testosterongeschwängert". Rüdes Verhalten (mit sexistischen Sub- und Obertönen) wird immer häufiger aufgezeigt und angeprangert. Der "tolle Kerl" verkommt zur aussterbenden Gattung im Anthropozän.

Frey: "Wir leben in einer totalen Affektgesellschaft, das muss uns klar sein. Natürlich ist die Geschlechterfrage im Hinblick auf Leitungsposten in den Theatern eine ganz andere geworden, eben dadurch, dass es MeToo gibt. Dahinter kann man nicht mehr zurückgehen. ,It went viral'! Man blickt heute von einer ganz anderen Warte aus auf das Thema. Dennoch ist es wichtig, die extrem erhitzte Debatte immer wieder herunterzukühlen. Worüber reden wir? Über Ungleichbezahlung? Über die ungleiche Verteilung von Leitungsjobs? Oder über eine Sprache, die übrigens auch vom Journalismus bemüht wird?"

Die Regisseurin ist um Beispiele nicht verlegen: Gemeint seien Begriffe wie die "Testosterongeschwängerten", die "Berserker", die "Stückezertrümmerer". "Was sind das für Rollenstereotype", fragt Frey. "Woher kommen die, und warum sind die so schwer aus den Köpfen herauszubekommen?" Die würden auch nicht weniger. "Es fehlt ein Rezept, wie das Heißgekochte kaltgestellt werden kann und wir dennoch kämpferisch bleiben. Es geht doch nicht ums Händchenhalten, ums traute Sitzen am runden Tisch." Auch nicht ums "undifferenzierte Mitbrüllen". Von Stereotypen, sagt Frey, habe sie erst einmal genug.

Schluss mit Aggressionen

Den Einfluss des neoliberalen Kapitalismus auf die Umgangsformen der Menschen untereinander möchte Frey nicht leugnen. Obwohl: "Der abstrakte Markt ist doch Ausdruck von uns allen. Der Markt, der wie ein außerirdisches Tier über uns hinwegsteigt und alles plattmacht, den gibt es nicht."

Aber Frey glaubt auch zu wissen, was zu tun bleibt: "Ich habe die Pro-Quote-Initiative unterstützt, damit etwas in Gang kommt, ,to give it a go'. Wer hat am Theater, gleich ob Männer oder Frauen, überhaupt noch Lust an solchen Zuschreibungen? Wer findet denn Muskelspiele toll?" Es gebe immer mehr Männer, die das grauenhaft finden. "Ich bin es gewohnt, in gemischten Gruppen zu arbeiten", sagt Frey, "das sind für mich die kreativsten. Es gibt genug Männer, quer durch alle Altersklassen, die genug haben von Gockelei, von latenter oder offener Aggression. Die extrem gerne mit Frauen arbeiten, auch solchen, die ihre Vorgesetzten sind! Am Ende sind wir Individuen und sollten uns dagegen wehren, in Gruppenbilder hineingezwängt zu werden." (Ronald Pohl, 25.11.2018)