Der österreichische Künstler und Filmemacher Edgar Honetschläger ist im Sommer unter die italienischen Landwirte gegangen

Foto: Edgar Honetschläger

Wer mit Edgar Honetschläger auf Facebook befreundet ist, der ahnt schon länger, dass etwas im Busch ist. Da wurden den Sommer über Bilder aus einem Garten nördlich von Rom gepostet – von grünen Gurken und roten Tomaten, die geerntet oder zum Trocknen auf großen Blechen ausgelegt oder in dampfenden Töpfen zu Sugo eingekocht wurden: #organicfarming, #maremma, #italy.

Für alle anderen kommt es wie eine Überraschung, dass der österreichische Künstler und Filmemacher Honetschläger im Sommer unter die italienischen Landwirte gegangen ist.

In seinem gepachteten, 800 Quadratmeter großen Garten in Maremma erlebt er heuer einen stillen Sommer.
Foto: Edgar Honetschläger

Nicht ohne Grund: Das, was er dort alles geerntet hat, ist zum wichtigen Teil eines Crowdfunding-Projekts geworden, das in Zukunft Insekten retten soll und nächste Woche unter dem Namen "Go Bugs Go" in Wien präsentiert wird.

Aber von vorne: Gebrodelt hat es in Honetschläger schon lange, erzählt er im Wiener Café Prückl. Spätestens seit Fukushima 2011, als er mit seiner damaligen japanischen Freundin und deren Sohn vor den Folgen der Reaktorkatastrophe aus Japan nach Österreich flüchten musste, stellt er sich als Künstler die Frage: "Wie kann ich in ästhetischer Produktion schwelgen, während rund um uns die Welt untergeht?"

Honetschläger beim Einkochen.
Foto: Edgar Honetschläger

Die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens lebte Honetschläger in Großstädten, zuerst in Wien, dann in New York und Los Angeles, später in Tokio und Rom. Honetschläger, Jahrgang 1967 und ursprünglich aus Oberösterreich, spürt eine große Unzufriedenheit in sich, mehr noch: eine große Traurigkeit und Angst.

Den letzten Ausschlag, endlich selbst etwas zu tun, gab das vergangene Jahr. Da besuchte der Wiener Künstler eine Freundin, die heute in Australien lebt. Er wollte den Urwald entdecken, doch anstelle von Affen, Papageien und dichten Wäldern fand er dort nur Kühe. "Tausende Kilometer Monokultur, abgebrannte Wiesen und Dürre!"

Das Gemüse, das Honetschläger im Alleingang gepflanzt und geerntet hat, wurde zum Incentive für "Go Bugs Go".
Foto: Edgar Honetschläger

Auf dem Rückweg nach Europa besuchte er zudem seine japanische Familie: "Dort haben alle Krebs!", sagt Honetschläger, schüttelt seinen Kopf und erinnert sich, dass gleich nach dem Reaktorunglück Wissenschafter prognostiziert haben, dass an den Folgen an die acht Millionen Menschen sterben werden.

Und: In seinem gepachteten, 800 Quadratmeter großen Garten in Maremma erlebt er heuer einen stillen Sommer. "Du bist im Süden und hörst keine Zikaden." Auch die Nachbarbauern, die ihn und seinen Biogarten zunächst belächelt haben, geben mittlerweile zu, dass es ein großes Insektenproblem gibt.

Der Autodidakt hat aus seiner Sommerernte 1766 Biokonserven fabriziert.
Foto: Edgar Honetschläger

Im Café Prückl zeigt Honetschläger auf sein Handy: "Seit zehn Jahren mache ich Politik auf Facebook!" Wie viele andere: Anklickpolitik. Man fühlt sich ein bisschen besser, aber nur kurz. Seit kurzem postet er für sein eigenes Projekt. "Go Bugs Go" soll nichts weniger als mithelfen, die Welt zu retten. Die Idee in Kürze: "Wir kaufen gemeinsam Land, um so Insekten zu retten." "Bug" heißt auf Englisch Insekt, aber auch Computersoftwarefehler.

Selfmade-Naturschutzaktivist

Der Autodidakt ist zum Selfmade-Naturschutzaktionisten geworden, hat aus seiner Sommerernte 1766 Biokonserven fabriziert, Freunde begeistert, ihm in seinem Atelier zu helfen. Fürs Crowdfunding braucht es ein Incentive. In vielen Arbeitsschritten wurden die Konserven in hübsche Schachteln verpackt, eine kleine Zeichnung von Honetschläger hinzugefügt, alles wurde gestempelt und unterzeichnet, alles handmade.

Auf Facebook kann man das anschauen. Honetschläger hat im vergangenen Jahr viel gelernt, sagt er, von Crowdfunding-Expertinnen zum Beispiel: Je unangenehmer und ernster ein Thema ist, desto süßer und lustiger muss man es für die Crowd aufbereiten. Das hat Honetschläger verstanden, klappt seinen Laptop auf, und zeigt einen 90-Sekunden-Trailer, der sich sanft über die Wiener Kaffeehaushintergrundgeräuschkulisse legt.

Mit seinen selbstgezeichneten Sujets hat der Film tatsächlich nichts Bedrohliches, aber eine starke Message: No insects, no food! Keine Insekten, keine Nahrung! So simpel: "What if we buy land together and give it back to nature?", fragt seine Stimme im GBG-Trailer. Genau!

"Go Bugs Go" soll nichts weniger als mithelfen, die Welt zu retten.
Foto: Edgar Honetschläger

Aber Landerwerb im Kollektiv ist kompliziert. Deswegen sitzt der "Go Bugs Go"-Initiator wöchentlich mit Anwälten von DLA Piper zusammen, die pro bono am Non-Profit-Projekt mitarbeiten: "Mit denen können wir lokal wie international agieren."

Wie aber geht es jetzt weiter? Nächsten Dienstag wird die Aktion, die zwischen Naturschutz-, Kunst- und Designprojekt angesiedelt ist, in der Kunsthalle Wien präsentiert, zusammen mit dem Bugs-Menü, einer Art Speisekarte für alle, die am Projekt partizipieren möchten.

Der Einstieg ist niederschwellig, jeder Geldbetrag willkommen. Ab 100 Euro gibt es die Bugs-Box. "Wenn wir 1500 Boxen verkaufen", überschlägt Honetschläger im Kopf, "können wir für 150.000 Euro Land kaufen." Das wäre ein Start.

Land, das auch auf dem Land wegen der zunehmenden Bodenversiegelung immer weniger wird. Land, das dann kein Politiker der Welt mehr umwidmen könnte, weil es uns allen gehört. Es wird vielleicht erst einmal um Streifen und Fleckerln gehen, wo sich Insekten und damit auch Vögel wieder ansiedeln können.

"Hier geht es nicht um mein Projekt", sagt Honetschläger ernst, ganz im Gegenteil, er hofft auf viele, die mitmachen, und viele, die nachahmen. "Let's give bugs a chance", sagt er im Trailer und meint damit auch: Geben wir uns selbst eine Chance. (Mia Eidlhuber, 24.11.2018)