Per Kirkeby Estate, Courtesy Galerie Werner, Köln

Überraschen muss es ihn. Und wenn ein Bild ihn während des Arbeitsprozesses nicht überrasche, erklärte Per Kirkeby Kirkeby (1938-2018) einmal, dann sei es "irgendwie nicht besonders gut". Münzt man Kirkebys Philosophie der Spannung ein wenig um, so ist die Ausstellung des großen skandinavischen Malers in der Kunsthalle Krems irgendwie ganz besonders gut geraten. Überrascht wird man dort nicht nur punktuell, sondern von ganzen, untypischen Werkgruppen des im Mai 79-jährig verstorbenen Dänen. Insbesondere die unbekannten Übermalungen von Flohmarktfunden anonymer Pinsler verblüffen.

Per Kirkeby, Ohne Titel, 1986
Per Kirkeby Estate, Courtesy Galerie Werner, Köln

Deswegen muss man nicht alles vergessen, was man über den die Erdgeschichte erforschenden Maler und promovierten Geologen weiß, schließlich stellt sich das Erstaunen in der Differenz zum Gewohnten ein. Und obendrein gibt es auch ein wenig Kirkeby-Klassik zum Einstieg: schwere, dunkle Gemälde aus den 1980ern, also aus jener Zeit, in der Kirkeby (so wie die gern in einem Atemzug mit ihm genannten deutschen Kollegen Baselitz und Lüpertz) mithalf, die Krise der Malerei zu überwinden.

Großes Winterbild (1984), eine monumentale, zwei mal vier Meter messende Leinwand in der unteren Halle, datiert in jene Phase. In den massigen, gedämpften Farbflächen zeigt sich die Vielfalt der Graunuancen: Asphalttöne, in die sich Grün mischt, Aschefarbenes mit Blaustich. Und dazwischen: irdenes Kolorit wie Ocker und Braun. Auf Kirkebys Tafeln staffeln sich die gestischen Felder aus Farben der Natur. In Schichtung und Überlagerung wirkt es manchmal so, als würde ein Geschehen dahinter verdeckt. Sind es Relikte grüner Landschaften, die aus dem Dunkel hervorblitzen?

In seinem Atelier auf der Insel Laeso im Norden Dänemarks entstand 1984 "Großes Winterbild – Laeso" ("Stort vinterbillede – Laeso"), ein monumentales Werk, typisch für die gedämpften Farben in Kirkebys Malerei jener Dekade. Schicht um Schicht, Farbe um Farbe legt sich in seiner Malerei übereinander: Das Grün des Sommers nur noch eine leise Erinnerung.
Per Kirkeby Estate, Courtesy Galerie Werner, Köln

Sehr wahrscheinlich wird das in einer Dokumentation von 2014. Da erzählt Kirkeby, vor einer unvollendeten, sehr intensiv grünen Leinwand stehend, er wisse nicht, wie lange das Grün überleben wird. Als er das Bild begann, sei draußen vor dem Atelier gerade alles grün geworden. Bis zur Vollendung könne sich das aber noch ändern. Und die dauert bei Kirkeby sehr lange. Das Malen an einer großen Leinwand beschreibt er mit dem Gärtnern, wo man mal hier, mal dort etwas einpflanze – Schicht um Schicht visualisiert sich also auch etwas sonst Unsichtbares, das Vergehen von Zeit.

Dass Kirkeby Bilder nur über lange Zeiträume fertigstellt, mag aus einer bestimmten Perspektive ungewöhnlich erscheinen. In den 1960ern war er nämlich Teil der avantgardistischen Kopenhagener Gruppe Den Eksperimenterende Kunstskol, bei der Performance auf der Tagesordnung stand.

Vom Happening zur Malerei

Für Happenings arbeitete Kirkeby damals mit Künstlern wie Beuys oder Paik zusammen, schuf Installationen und Filme. Malerei war verpönt. Im Manifest hieß es, sogar: "Du sollst keine Bilder malen, das ist ein totes Genre. Und wenn du es doch tust, dann niemals alleine." Dennoch wandte er sich in den 1970ern der Malerei zu, also jenem Medium, das er zuvor kritisiert hatte. Warum? Kurator und Kunsthalle-Krems-Direktor Florian Steininger vermutet, über das Zeichnen bei geologischen Expeditionen habe er sich wieder klassischeren Medien genähert.

Eines der sogenannten Masonit-Bilder Per Kirkebys (Ohne Titel, 2014).
Per Kirkeby Estate, Courtesy Galerie Werner, Köln

Dem Zeichnen stehen auch die nach ihrem Hartfaser-Bildträger genannten Masonit-Bilder näher. Sie zeigen eine schnellere Handschrift des Künstlers, der trotz gestischen Malens das Spontane aber im Grunde ablehnte. An dieses Kalkulierte erinnern aber weder diese starkfarbigen Kritzel auf schwarzem Tafelgrund noch die Übermalungen realistischer Landschaftsbilder. Sie erinnern an flapsige Einfälle der Dadaisten.

Humoristische Lockerungsübungen? Per Kirkeby, Ohne Titel, 2014.
Per Kirkeby Estate, Courtesy Galerie Werner, Köln

Der Bauch lacht, das Auge ist überrascht. Erhellend ist dieser Ausflug ins Unbekanntere nicht. Gedürstet hätte es allerdings doch mehr nach den lichteren, leuchtenden Werken, die ab 1990 entstanden. In der allerersten Ausstellung im Kunsthaus Bregenz waren die zu sehen – lang lang ist es her. Nicht nur, dass sie typisch sind für die nordischen, sich nach Licht sehnenden Künstler, sie atmen in Naturformen – Geäst, Mineralien, Sedimentstreifen – auch den Geist der Landschaftsmalerei. (Anne Katrin Feßler, 24. 11. 2018)

Der dänische Künstler Per Kirkeby (1938-2018) im Museum Kunstpalast vor seinem berühmten Bild "Flucht nach Ägypten" (1996).
Per Kirkeby Estate, Courtesy Galerie Werner, Köln