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David Bowie und der Sefirot-Baum: Auf "Station to Station" sang er über diesen.

Foto: Steve Schapiro / Corbis Premium Historical / Getty Images

Wien – Es war ein langer Weg von jüdischen Mystikern im Südfrankreich des 12. Jahrhunderts zu Popstars in die Gegenwart. Kabbala, ein Wort, das eigentlich "Überlieferung" bedeutet, ist heute vielen als Esoteriktrip von Hollywoodstars ein Begriff. Dabei zieht sich die mystische Lehre von der verborgenen Welt Gottes, die sich in Zeichen, Buchstaben, Nummern zeigt, nicht nur durch den jüdischen Glauben, sondern auch durch die Kulturgeschichte Europas.

Das Jüdische Museum der Stadt Wien und das Joods Historisch Museum in Amsterdam haben gemeinsam einen wissenschaftlichen und die vielen vermischten Arten der Kabbala entwirrenden Zugang gefunden. Daraus entstanden in beiden Häusern Ausstellungen und eine gemeinsame Publikation, die über einen herkömmlichen Katalog weit hinausgeht.

In Wien führt die Schau in schummrigem Licht durch viele historische Stücke, wie alte Ausgaben des Zohar, eines der wichtigsten Bücher, Kultgegenstände, Schutzamulette und viel Kunst. Anselm Kiefers Gemälde Merkaba und Warrior of God von Michael Berkowitz gehören zu den zeitgenössischen Höhepunkten. Aber auch Filmemacher, Rapperinnen und einst Franz Kafka waren von der Kabbala inspiriert.

Wer je mit Tarotkarten hantierte oder Numerologie betrieb, ist auch schon an der Kabbala angestreift. Bekannt sind auch Darstellungen des kosmischen Sefirot-Baums: Die zehn Sefirot stehen für göttliche Sphären und werden meist als durch Linien verbundene Kreise dargestellt. Sie stehen etwa für Weisheit, Vernunft oder auch Liebe.

War die Lehre Jahrhunderte nur etwas für gelehrte, jüdische Männer ab 40, wurde sie durch den Rabbiner Yehuda Leib HaLevi Ashlag im 20. Jahrhundert für alle geöffnet. Ashlag sah nach dem Holocaust die Mächte des Bösen als zu groß, um die Kabbala nicht weiter zu verbreiten. Popstar Madonna, die als lebensgroße Wachspuppe von Madame Tussaud präsent ist, machte gemeinsam mit dem Kabbalah-Center in Los Angeles die Lehre zum popkulturellen Massenphänomen. Sie verpackte die Kabbala auch in Kinderbücher.

Auf dem Katalog prangt aber David Bowie, der für das Album Station to Station 1976 einen Sefirot-Baum zeichnet und von der Reise "from Kether to Malkuth", also von einer Sefira zur nächsten singt. Auch wenn sich Bowie mit allerlei Philosophien, Religionen und in den 1970ern sicher mit Drogen befasste, ist es auffällig, dass sich der androgyne kosmische Mensch, wie ihn die Kabbala kennt, durch sein halbes Werk zieht. Den gestreiften Anzug von Station to Station trägt er 40 Jahre später kurz vor seinem Tod wieder: Im Video zu Lazarus steigt er darin in einen Kasten – um zur letzten Station zu reisen. (Colette M. Schmidt, 23.11.2018)