Necla Kelek will die Säkularität im Islam auf die Agenda setzen.

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Der Islam kennt keine Mitgliedschaft, keine Hierarchie, und deshalb kann es auch keine Repräsentanz geben.

Illustration: Felix Grütsch

Zur ersten Deutschen Islamkonferenz wurde ich 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble eingeladen, weil er sich erhoffte, dass die säkularen Muslime zu den Islamverbänden ein Gegengewicht bilden würden. Die Verbände waren an einer Debatte nicht interessiert, sondern wollten möglichst den Status als "Körperschaften öffentlichen Rechts" erlangen. Ihr Ziel war es, für "den Islam" zu sprechen, unter anderem um in den staatlichen Schulen bekenntnisorientierten Islamunterricht geben zu können, denn wer über die Bildung bestimmt, bestimmt die Zukunft. Das scheiterte letztlich daran, dass sie sich standhaft weigerten, das Grundgesetz als maßgeblich anzuerkennen. Später setzten die Islamverbände das Ministerium unter Druck und drängten uns kritische Geister hinaus. Aber auch diese Konferenzen brachten keine Lösungen in Sachen mangelnde Integration, Extremismus, Frauenapartheid oder Gegengesellschaften. Und obwohl die offizielle Politik erklärte, der "Islam gehört zu Deutschland", steht die Debatte um den Islam immer noch wie ein weißer Elefant im Raum.

Debattencamp

Innenminister Horst Seehofer will das Problem anders angehen. Er beruft so etwas wie ein Debattencamp ein. Er möchte die Muslime miteinander über einen "deutschen Islam" diskutieren lassen und sie auf die Republik verpflichten. Anders als in Österreich, wo Aufmerksamkeit darauf, was in Moscheen, Schulen und Kindergärten passiert, sehr viel größer ist, tun sich Gesellschaft und Politik in Deutschland sehr viel schwerer damit, zu formulieren, was von den Muslimen und ihren Organisationen erwartet wird.

Die Frage, was tut ihr Muslime für die Demokratie und für ein erfolgreiches Zusammenleben, kommt niemandem über die Lippen. Von den Linken, den Grünen bis zu Teilen der Konservativen will man einerseits Kulturdifferenzen, wie die Behandlung der Frauen nicht thematisieren, andererseits wird "der Staat" für alle Versäumnisse wie Bildungsversagen oder hohe Arbeitslosigkeit in der muslimischen Bevölkerung verantwortlich gemacht.

Familienministerin Franziska Giffey zum Beispiel beklagte vor ein paar Tagen die hohe Gewalttätigkeit gegen Frauen, will Frauenhäuser verstärkt fördern, verschweigt aber, dass 80 Prozent der Schutzsuchenden in diesen Einrichtungen muslimischer Herkunft sind.

Rechte stärken

Um die Sicht auf die Dinge zu verändern, haben sich nach ausführlichen Diskussionen zehn Männer und Frauen, Publizisten, Wissenschafter, zusammengetan, um ihre Erfahrung und Wissen in die Debatte einzubringen. Ich gehöre dazu. Wir sprechen nur für uns selbst, haben aber den Anspruch, Themen wie die Säkularität auch im Islam auf die Agenda zu setzen. So wollen wir uns gegen den politischen Islam positionieren und die strikte Trennung von Staat und Religion durchsetzen, Frauenrechte erstreiten.

Der Islam kennt keine Mitgliedschaft, keine Hierarchie, und deshalb kann es auch keine Repräsentanz geben. Nur das bessere Argument. Wir wollen keine Islamfunktionäre, sondern die Rechte der Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens stärken. Auch ihr Recht verteidigen, nicht zu glauben. Wir wollen, wie in Österreich, das islamische Kopftuch aus den Kindergärten und Schulen verbannen, sprich uns in unsere eigenen Angelegenheiten einmischen. (Necla Kelek, 23.11.2018)