Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer zeigen nicht ihr Ranking in Umfragen, sondern welchen Startplatz für ihre Rede ihnen das Los zuteilt.

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In einer kahlen Halle in Halle in Sachsen-Anhalt sitzen 600 CDU-Mitglieder und warten. "Wollen wir vielleicht die Hymne singen?", schlägt die Moderatorin vor. Och nööö ... Auf derlei Überbrückung der Zeit hat nun wirklich keiner Lust. "Nimmt der Merz nicht den Privatjet?" , fragt jemand mit leichter Ironie.

Nein, das tut er nicht. Der ehemalige Fraktionschef macht es wie Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn: Er kommt mit dem Auto zu den acht Regionalkonferenzen, auf denen drei Kandidaten um die Gunst der CDU-Mitglieder buhlen. Aber jetzt steckt Merz erstmal im Stau.

Derweil erklärt Margit, eine Mittfünfzigerin, warum sie gekommen ist: "Ich habe das Gefühl, wir können in der CDU endlich wieder diskutieren und noch dazu unter drei Kandidaten auswählen. Das ist wie ein Stoß frischer Luft."

Dann fügt sie nach kleiner Pause hinzu: "Ich fand Angela Merkel immer toll. Aber es ist jetzt gut, dass sie geht. 18 Jahre Parteivorsitz sind genug." Am 7. Dezember ist es so weit, da gibt Merkel den CDU-Vorsitz in Hamburg ab.

Und jetzt, mit 20-minütiger Verspätung, ist auch der Dritte aus der Runde der Nachfolger endlich da. Merz stürmt in den Saal, Kramp-Karrenbauer und Spahn warten schon. Das Trio darf sich zunächst vorstellen, danach sind Fragen aus dem Publikum dran.

Alle drei konstatieren, dass die Union in keinem guten Zustand sei. Ein Minus bei der Bundestagswahl 2017, Verluste bei Landtagswahlen, schlechte Umfragewerte. "Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, wenn wir Volkspartei bleiben wollen", sagt Merz.

Wie immer bei derlei Veranstaltungen wird natürlich peinlich darauf geachtet, dass keiner der drei sehr viel länger redet als die anderen. Merz ist immer am kürzesten, es ist ihm egal. Wenn er spricht, ist es ohnehin am ruhigsten, man hört ihm gespannt zu.

Ausgesucht höflich gehen die drei miteinander um, "AKK" allerdings verkneift sich eine Spitze nicht. "Ich stelle mich zur Wahl mit meiner Fähigkeit, Wahlen zu gewinnen", sagt die ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlandes. Es ist ein Stich gegen Merz und Spahn: Die beiden haben noch keine Wahl gewonnen.

Merz muss sich korrigieren

Lange dauert es nicht, da ist man beim Thema Asyl angelangt. Endlich traue sich einer, nämlich Merz, "erfrischend" zu denken, lobt ein junger Mann aus dem Saal. Aber warum rudere er denn schon wieder zurück? Merz wusste natürlich, dass das Thema kommen würde. Am Abend zuvor, in Thüringen, hatte er erklärt, man müsse mal überlegen, ob Deutschland wirklich weiterhin jedem Bewerber ein individuelles Recht auf Asyl zugestehen wolle.

Entrüstung war daraufhin losgebrochen, auch in der CDU hatte es Kritik gegeben. Derlei hatte nämlich bisher nur die AfD geäußert. Daraufhin war Merz zurückgerudert. Auch in Halle sagt er: "Für alle Interessierten noch einmal zum Mitschreiben: Ich bin für die Beibehaltung des Grundrechts auf Asyl. Punkt." Die Medien hätten ihn falsch zitiert. Man müsse aber mehr über europäische Lösungen in der Asylpolitik reden.

Kramp-Karrenbauer erinnert an dieser Stelle an Worte von Altkanzler Helmut Kohl: "Ein Kahlschlag des Asylrechts ist nicht Politik der CDU." Spahn schließt sich an, beklagt aber noch "eine Art Staatsversagen" im Jahr 2015, als die vielen Flüchtlinge kamen. Er fordert verstärkte Bemühungen bei Abschiebungen.

Applaus für alle drei

Da wollen Merz und Kramp-Karrenbauer auch Härte zeigen. Er sagt, dass Muslime, die ihr Zeugnis nicht von einer Frau bekommen wollen, eben keines erhalten. Sie erzählt, dass Flüchtlinge die von Frauen kein Essen nehmen, halt hungrig bleiben müssten. Immer wieder gibt es Applaus, er ist recht gleich verteilt. Merz kriegt manchmal ein bisschen mehr.

Natürlich haben die drei auch ein feines Gespür für den Frust, der sich unter Merkel angestaut hat. Viel zu wenig Diskussion habe es gegeben, klagen viele CDU-Mitglieder. "Das, was gerade passiert, tut unheimlich gut, das ist Aufbruch und Erneuerung", lobt Spahn die Debatten auf den Regionalkonferenzen. Auch Merz spricht von einer "neuen Ära", und Kramp-Karrenbauer will ein "Sensorium entwickeln", damit wichtige Themen mehr und bereits früher besprochen werden.

Drei Stunden diskutiert das Trio sachlich und ruhig, das Publikum bleibt voll dabei. Wer am 7. Dezember dann tatsächlich das Rennen machen wird, ist offen.

Nicht nur in Umfragen unter CDU-Anhängern, sondern auch in der Partei selbst gilt Spahn bereits als Außenseiter. Es wird also auf eine Entscheidung zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer hinauslaufen. Aber noch ist Zeit bis zum Parteitag. Und natürlich wartet jeder der beiden insgeheim darauf, dass der andere Fehler macht. (Birgit Baumann aus Halle an der Saale, 23.11.2018)