Die Karte zeigt die geografischen Wanderungsbewegungen der Bevölkerungsgruppen, die in drei Wellen vor 15.000, 9.000 und 4.000 Jahren den Subkontinent besiedelt haben.

Grafik: Michelle O’Reilly; Posth , Nakatsuka et al. 2018.

Ausgrabungen in der Nischenhöhle Lapa do Santo in Brasilien. In Lapa do Santo wurde ein etwa 9.600 Jahre altes Individuum freigelegt. Die Überreste halfen den Wissenschaftern, die Besiedlungsgeschichte Südamerikas zu entschlüsseln.

Foto: André Strauss

Wien – Die Besiedelungsgeschichte Südamerikas stellte trotz zahlreicher Funde lange Zeit ein großes Rätsel dar. Erst anhand von genetischen Untersuchungen gelang es Wissenschaftern, etwas Licht in die dunkle Vorzeit zu bringen. Nun ist es einem internationalen Team unter österreichischer Beteiligung gelungen, früheren Theorien durch neueste DNA-Analysen zu bestätigen. Demnach stammen die Ureinwohner Südamerikas wie ihre Nachbarn im Norden von Eurasiern aus Sibirien ab und besiedelten den Subkontinent in drei Wellen vor 15.000, 9.000 und 4.000 Jahren. Die Vielfalt an Populationen stammt von Evolutions-Prozessen und kam nicht durch große Umschwünge und Völkerwanderungen zustande, erklären die Forscher im Fachmagazin "Cell".

Uraltes Genmaterial

72 Forscher aus acht Ländern unter der Leitung von David Reich von der Harvard Medical School in Boston untersuchten die DNA von 49 Knochenproben menschlicher Überreste. Sie stammen aus Mittel- und Südamerika, etwa aus Belize, Brasilien, den Anden und der Südspitze Amerikas, und sind 1.000 bis 11.000 Jahre alt. Ihre DNA ist damit um bis zu zehn Mal älter als jene von bisher untersuchten Fossilien.

Aufgrund der Form und Größe eines gut 11.000 Jahre alten Schädels von "Luzia", der "ersten Brasilianerin", haben manche Wissenschafter angenommen, dass die frühesten Besiedlungsgruppen in Südamerika mit Afrikanern oder Malenesiern (Menschen aus dem Pazifik nördlich von Australien) verwandt sind. Diese ohnehin umstrittene These widerlegten die Forscher in der aktuellen Studie endgültig. Sie stammen vielmehr von jenen Jäger- und Sammlergemeinschaften, die vor mehr als 17.000 Jahren aus Sibirien nach Alaska drangen und sich zunächst auf dem nordamerikanischen Kontinent ausbreiteten.

Schnelles Vordringen in den Süden

Sie überquerten die Landbrücke über das heutige Panama nach Südamerika und bevölkerten es in drei Wellen vor 15.000 bis 11.000 Jahren, vor 9.000 Jahren und vor etwa 4.000 Jahren, erklären die Forscher. Dies würden Knochenproben aus Chile, Brasilien und Belize belegen. Die Migration nach Chile wäre außerdem überaus schnell vorangegangen: "Es wurden fast 13.000 Kilometer in weniger als zwei Jahrtausenden zurückgelegt – vielleicht an der Küste entlang, denn dies wäre für das Überleben am einfachsten", so Sabine Eggers vom Naturhistorischen Museum Wien.

Die ersten Bewohner Südamerikas waren "Clovis-Leute". Sie gehörten einer großflächig in Amerika verbreiteten Kultur an, für die speziell geformte Projektilspitzen aus Feuerstein mit beidseitigen Schneiden charakteristisch sind. Ihre DNA-Signale sind in Funden, die jünger als 9.000 Jahre sind, allerdings verschwunden.

Umschwung und Kontinuität

Dies weist auf einen großen Populationsumschwung hin, erklären die Forscher. Diese Gruppe starb aus und eine andere Gemeinschaft verzeichnete seit damals einen steten Zuwachs. Deren DNA-Signale sind bis heute in der indigenen Bevölkerung zu finden. Dies deute auf eine sehr kontinuierliche Besiedelung hin, was ein starker Kontrast zur bewegten Populationsgeschichte in Europa, Asien und Afrika wäre, so Eggers. (red, APA, 25.11.2018)