Katharina Wogrolly hat das Yoga College im 15. Bezirk vor 14 Jahren als erste Bikram-Yoga-Schule in Wien eröffnet.

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Die von Bikram-Yoga-Lehrerin Eva Mangold demonstrierte Stirn-zum-Knie-Position (Dandayamana Janushirasana) im Stehen sieht einfach aus, stellt aber Yoga-Neulinge oftmals vor große Herausforderungen.

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Die Sitzecke im Empfangsbereich lädt zum Plaudern, Obstessen und Teetrinken ein.

Foto: Alexander Müller

Thomas Hirner ist Sportredakteur beim STANDARD. Mittels Hot Yoga versucht er seinen teilweise eingerosteten Körper wieder in Schwung zu bringen.

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DER STANDARD

Es gibt bestimmt Gesünderes für meinen Bewegungsapparat, als Eishockey zu spielen, vorwiegend auf Asphalt zu joggen, zu Fuß oder mit dem Bike Berge rauf und runter zu hetzen oder mit dem Snowboard zu bolzen. Doch diese Freizeitbeschäftigungen sind für mich prickelnd wie für andere ein Fichtennadelschaumbad. Da sich nun aber nach Jahren übermäßiger Strapazen und womöglich auch durch suboptimale Haltung beim Arbeiten am Schreibtisch Baustellen ergeben haben, es vom Nacken über den Rücken bis in die Hallux-valgus-Zehe zwickt, ist es höchste Zeit, die Empfehlungen von Freundinnen anzunehmen. Yoga könne mir helfen, sagen sie, wieder beweglicher zu werden und Schmerzen zu beseitigen. Um die Dehnungsarbeit möglichst schonend zu erledigen, wurde mir Hot Yoga ans Herz gelegt. Also gebe ich mir genau das.

Tropisches Klima

Um nur ja keine Trainingsgelegenheit auszulassen, schwinge ich mich flotten Schrittes jene Etagen des Stiegenhauses hinauf, die mich – leicht außer Atem – hoch über dem Wiener Gürtel und auf Augenhöhe mit der Stadtbibliothek direkt vor das Yoga College führen. Zwei Sekunden später befinde ich mich plötzlich in einer komplett anderen Klimazone.

Der Check-in-Bereich im Yoga College.
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Hochsommerliche Temperaturen in einem angenehm beleuchteten und dezent mit ätherischen Ölen, bunten Yoga-Klamotten, Accessoires und gemütlichem Chill-Bereich gepimpten Raum. Prompt steht Schweiß auf meiner Stirn, die Brillengläser laufen an – einchecken wie beim Rückflug aus den Tropen. Die Aufforderung, ich möge mich nun bitte zwecks Akklimatisierung in den Hot Room begeben, sorgt für leichtes Unbehagen. Es wird also noch heißer?

Wasser marsch!

Lediglich in Badehose geht's ab in einen Heizraum erster Güte. Caramba! 38 Grad, gefühlte 45, hohe Luftfeuchtigkeit. Kreislauf? Check! Atemluft? Check! Alles gut, Matte zu Boden, Handtuch drauf, hinlegen. Zum Glück habe ich nur Hot Express mit 60 statt 90 Minuten gebucht. Die Schweißdrüsen befehlen: Wasser marsch! Wenig später ein Gong, und Yogalehrerin Eva betritt den Raum. Alle erheben sich, manche nahezu trocken, ich bereits nass wie ein Waschlappen.

Mit freundlicher Stimme kommen Anweisungen: "Bringe die Zehen zusammen, Gewicht auf die Fersen, kreuze deine Finger, Knöchel ans Kinn, Daumen an die Kehle, Schultern nach hinten, Fokus auf dich selbst. Beginne, senk den Kopf nach unten, atme ein, zieh die Ellbogen nach oben, saug den Bauch nach innen, füll deine Lungen an. Atme aus, Wirbelsäule gerade, Hüfte nach vorne, schieb mithilfe der Knöchel das Kinn ganz sanft nach hinten, Handflächen, Unterarme, vielleicht die Ellbogen zusammen." Viel zu tun, es ist kein Honigschlecken.

Viel Haut

Auf der einen Seite des mit vielen Matten und spärlich bekleideten Menschen belegten Raumes unter dem Dach der Lugner City sind Fenster, die Blicke auf brillantes Abendrot gewähren, gegenüberliegend eine Spiegelwand, die allzu gnadenlos die Grenzen des Bewältigbaren aufzeigt. "Dank Yoga kann der Mensch das Glück zu leben wieder finden", schreibt André van Lysebeth in dem Standardwerk "Yoga für Menschen von heute". Yoga verschaffe Gesundheit und Langlebigkeit durch Übungen, die der Wirbelsäule, jener vitalen Achse, Beweglichkeit und Flexibilität verleihe. Vitale Achse? Das war bei mir einmal!

Die Kobra (Bhujangasana) ist nur eine der vielen schweißtreibenden Übungen im sogenannten Hot Room.
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Langsam ein Haus bauen

Es tropft unaufhörlich auf das mittlerweile gut durchweichte Handtuch, die Aufwärmübungen sind nach rund 20 Minuten geschafft, der Kreislauf hält noch stand. Zwischendurch zweckdienliche Hinweise: "Wenn du eine Pause brauchst, stelle dich ruhig hin, Zehen zusammen, Arme zur Seite, so muss das Herz am wenigsten arbeiten, und du kannst dich wieder regenerieren. Wenn dir schwindlig ist, dann setze dich in den Fersensitz, mit gerader Wirbelsäule und Kopf nach oben." Von wegen Pause, weiter geht's mit Balanceübungen und der Empfehlung nicht nur für Streber, es nicht zu übertreiben. Denn Yoga sei wie ein Haus bauen. "Step by step!"

Im Hot Room ist derweil zumindest mein Kopf hochrot, mit Kompressionsübungen wie der Pavana Muktasana, einer sehr energetischen Position, sollen Darm, Leber und Nieren ihre Freude haben. Zwischendurch lache ich über meine Ungelenkigkeit und sinniere über den beschwerlichen Weg zu ersehnter Beweglichkeit.

Erste Bikram-Yoga-Schule in Wien

Das Yoga College im 15. Bezirk ist vor 14 Jahren als erste Bikram-Yoga-Schule in Wien eröffnet worden. Es war eines der ersten in Europa. Seit vier Jahren wird hier nicht mehr klassisch nach Bikram, sondern in den Möglichkeiten variableres Hot oder warmes Yoga, Yin-Yoga, Vinyasa-Flow, Hatha oder auch Ashtanga unterrichtet. Die Übungen sind speziell auf Europäer zugeschnitten. "Für Leute, die einfach gestresst sind, sich immer wieder überfordern, zu viel wollen. Wir unterrichten nicht mehr auf 'push, push', sondern achten in erster Linie auf die Gesundheit und die eigenen Grenzen. Jeder Lehrer hat seinen persönlichen Stil, setzt unterschiedliche Schwerpunkte", erklärt Katharina Wogrolly, die Gründerin der Yogaschule.

Neben Hot und warmem Yoga werden im Yoga College auch Yin-Yoga, Vinyasa-Flow, Hatha oder auch Ashtanga unterrichtet.
Foto: Alexander Müller

"Der einzige Weg zum Himmel ist der durch die Hölle", lautet eines der vielen Bikram-Zitate. Der umstrittene indische Yoga-Guru Bikram Choudhury (72), Erfinder dieser Yoga-Richtung mit den 26 Übungen (Asanas), ließ sich die stets nach exaktem Muster vorzutragende Bewegungsabfolge als sein geistiges Eigentum schützen, bildete in großen Sälen – nur mit Headset und kurzer Hose ausgestattet – von einem Podest herab und mit einer guten Portion Drill Scharen an Lehrern wie Eva aus. "Ich weiß, dass ihr viel mehr Power habt und sehr viel besser seid, als ihr glaubt. Das Wichtigste ist, immer zuerst auf seinen Körper zu hören. Wir Lehrer können nur vermitteln, was wir gelernt haben, können nicht in euch hineinsehen", sagt die weltweit unterrichtende Bikram-Yoga-Lehrerin.

Arbeit an Körper und Geist

In sich hineinsehen können in gewisser Weise die hier von Jung bis Alt vertretenen Schülerinnen und Schüler. Emilia kommt seit einem Jahr hierher, um an sich selbst, an ihrem Körper wie auch ihrem Geist zu arbeiten und um sich gut zu fühlen. Auch Linda ist seit einem Jahr dabei, sie sieht einige Vorteile: "Das Immunsystem wird gestärkt. Es ist mental förderlich, man kann sich besser konzentrieren und fokussieren, und nebenbei macht man etwas für den Körper." Kai will, so wie ich, gelenkiger werden, er ist neu hier. "Es war ein Experiment, aber ich denke, ich werde wiederkommen." Gerald ist seit sieben Jahren Stammgast: "Ich mache es vorbeugend für das Alter, es ist gut fürs Gleichgewicht, die Wirbelsäule, den Rücken und den Kreislauf."

Meine Blutzirkulation funktioniert auch gegen Ende der Übungseinheit immer noch erstaunlich gut, wenngleich ich die Ruhepausen in Rückenlage (Savasana) mittlerweile immer heißer ersehne und Gedanken an kühlende Erfrischungsgetränke nicht mehr verdrängen kann.

Eva in sanftem Ton: "Du kannst der Matte vertrauen, sie hält dich, du kannst dich auf das Atmen konzentrieren, die Muskeln sinken auf den Boden. Je mehr du entspannst, umso mehr Benefits erhältst du." Einatmen, Sit-up, ausatmen. Geschafft. Eine Atemübung beschließt das Programm, das aus mir einen entspannten und gestärkten Menschen mit Lust auf mehr modelliert hat. (Thomas Hirner, 2.12.2018)