"Vaterland" heißt Lotte Schreibers Beitrag.

Foto: Lotte Schreiber

Lehrstück über Burschenschafter im Parlament: "Die alte Leier" von Judith Holzer, Victor Kössl, Karin Steger und Alexander Zlamal.

Foto: #KlappeAuf

Noch einmal "Die alte Leier" von Judith Holzer, Victor Kössl, Karin Steger und Alexander Zlamal.

Foto: #KlappeAuf

#KlappeAuf bei den Donnerstagsdemos.

Foto: Dominik Amon

Kein Film soll länger als drei Minuten dauern. Das Ziel lautet, mit pointierten gesellschaftspolitischen Anliegen das Interesse des Publikums zu wecken. Und damit im besten Fall auch das Bewusstsein dafür zu schüren, dass die Tendenz zu Polarisierung und Ausgrenzung sowie gezielten Tabuüberschreitungen – wie etwa zuletzt mit dem rassistischen Video zum Sozialmissbrauch – nicht hingenommen werden muss.

Wöchentlich wird von der Initiative #KlappeAuf ein neuer filmischer Beitrag in die Öffentlichkeit geschleust. Zu sehen sind sie in heimischen Kinos vor Langfilmen, auf dem eigenen Youtube-Kanal, auf diversen Festivals oder in jüngster Zeit auch während der wieder aktivierten Donnerstagsdemos, wo eigene Leinwände im öffentlichen Raum die Wanderroute säumen.

#KlappeAuf

Die thematische Bandbreite der Arbeiten ist vielseitig: Können wir besser wohnen? zeigt vor, warum die Wohnungssituation in Österreich schon einmal besser war. Neustart in Afghanistan entlarvt die euphemistische Rhetorik bei Rückführangeboten für Asylsuchende. Omas gegen rechts porträtiert die beherzte Aktivistinnentruppe, die gegen das antiliberale Gesellschaftsbild aufbegehrt.

Gift der Angst

#KlappeAuf ist ein markantes Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement, das eng mit der heimischen Filmszene verwoben ist. Kathrin Resetarits war beim Initiationsmoment vergangenen Februar mit dabei, als der Schauspieler Lukas Miko bei der Gala zum österreichischen Filmpreis eine vielzitierte Rede gegen "das Gift der Angst, des Neides und des Hasses" hielt, das die Politik in unsere Gesellschaft spritze. Es war direkt auf die Koalition von ÖVP und FPÖ gemünzt, forderte man doch dazu auf, die "Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern deutschnationaler Burschenschaften und anderer rechtsextremer Organisationen sofort zu beenden".

Die Liste der Unterschriften ist seitdem auf über 800 prominente Namen aus der Filmbranche angewachsen – darunter Barbara Albert, Ulrich Seidl oder David Schalko. "Danach haben wir uns schnell überlegt, wie es weitergehen soll", erzählt Resetarits. "Einerseits geht es uns um Solidarität, also gegen diese Idee der Spaltung, dieses Rapid-gegen-Austria-Denken, mit dem man in der Politik die Inhaltsleere übertüncht." Missinformation sei ja mittlerweile eine Taktik, sagt die Filmemacherin und Schauspielerin, die auch eng mit Michael Haneke zusammengearbeitet hat: "Das war ein sehr wichtiger Punkt, denn es gibt zu viele Kanäle der Desinformation. Als Filmschaffende sehen wir es als unsere Verantwortung an, dem etwas entgegenzusetzen."

#KlappeAuf

Eigentlich ein logischer, emanzipatorischer Schritt, da die eigenen Kompetenzen zu bündeln und Gegenbilder zu produzieren. Die Initiative wurde mittlerweile auch von der französischen Zeitung Le Monde thematisiert, die #KlappeAuf als eine der wesentlichen Bewegungen zivilen Widerstands gegen die Exekutive bezeichnet hat. Das Team selber tritt bescheidener auf, wenngleich man stolz auf die Nachhaltigkeit verweist: Seit dem Aufruf bei der Diagonale im März gibt es schon über 50 Beiträge. Ein jeder ist eingeladen, Beiträge einzuschicken. Ein kleines Redaktionsteam wählt aus, gibt Ezzes, leistet Vernetzung – da wird ein Cutter, dort ein Sounddesigner gebraucht.

Eigene Themen setzen

"Die Filme sollen sozial relevant, politisch ,alert' und engagiert sein", sagt Markus Wailand, der gemeinsam mit der Filmemacherin Tina Leisch die Idee für die Wochenschauen hatte. "Der Fokus lautet nicht, dass es nur Regierungskritik sein soll. Es geht nicht darum, dass wir den jeweils aktuellen sozialen Themen nachbellen." Vielmehr hegt das Kollektiv den Anspruch, eigene Themen zu setzen und jenen Personen eine Stimme zu geben, die unterrepräsentiert sind. "Zum Beispiel haben wir eine Kampagne über Saisonarbeiterinnen dabei", sagt die Filmemacherin Lotte Schreiber: "Da geht es um die Situation von Leiharbeiterinnen in der Landwirtschaft, die ausgebeutet werden."

Das Problem, mit ihrer Aufklärungsarbeit möglicherweise nur jene zu erreichen, die schon bekehrt sind, ist den Filmschaffenden freilich bewusst. "Natürlich soll es die Blase derer, die das nur abnicken und sich in ihrer Sichtweise bestätigt fühlen, übersteigen. Deswegen sind die Arbeiten ja auch kurz und gut konsumierbar", meint Wailand. Wie beim Parcours der Donnerstagsdemos soll man die Filme quasi im Vorbeigehen erfassen können.

#KlappeAuf bei den Donnerstagsdemos.
Foto: Markus Wailand

Insgesamt erweist sich die Ausweitung der Debattierzone allerdings als schwierigster Schritt des Projekts. Demokratiepolitische Basisarbeit, im Idealfall verbunden mit dem Aufruf, sich medial mündiger zu geben, ist eine ehrenwerte, aber langwierige Aufgabe. Die Kinos in den Bundesländern seien beispielsweise viel zögerlicher in der Zusammenarbeit als in Wien, erzählt Schreiber. Dafür hat Hubert von Goisern ein Lied freigegeben. Es geht im besten Sinne um eine Grassroots-Bewegung, die für den Dialog mit der Bevölkerung eintritt. Und dagegen, dies gewählten Volksvertretern zu überlassen.

Gegen falsche Ängste

"Natürlich ist es immer mühsamer aufzuklären", sagt Resetarits. Bei rechtspopulistischen Politikern würde das grundlegende Interesse am Austausch fehlen: "Denen geht es nur um bessere Propaganda, um eine Siegerpose. Wir wollen den Leuten die Möglichkeit geben, selber Schlüsse zu ziehen." Ein gutes Beispiel dafür ist der Beitrag des Dokumentaristen Nikolaus Geyrhalter, der aus dem Film Die bauliche Maßnahme stammt. Da sieht man einem Tiroler Biobauern zu, der einfach nur spricht: zuerst von Biogänsen und von stressfreiem Schlachten, dann von Eigeninitiative und von falschen Ängsten.

"Das sind die Dinge, die die Kraft hätten, Eingang in die Köpfe zu finden", ist Resetarits überzeugt. "In dem Film geht es schlicht darum, von jemandem angeschaut zu werden. Nicht im Sinne von ,Gegen die bin ich sowieso – da schau' ich gar nicht mehr hin'." Anschauungsunterricht mithin, gegen die Vereinfachung und eilfertig konstruierte Feindbilder. Der Beitrag dauert ausnahmsweise leicht über vier Minuten. (Dominik Kamalzadeh, 26.11.2018)