Waco – Im Ohrenschmalz von Bartenwalen lässt sich deren Stresslevel ablesen, berichten Forscher um Stephen Trumble und Sascha Usenko von der Baylor University in Texas im Fachjournal "Nature Communications". Das Material aus dem Gehörgang der Meeressäuger ermöglicht demzufolge Rückschlüsse auf die Hormonzusammensetzung im Körper. Als der industrielle Walfang in den 1960er-Jahren seinen Höhepunkt erreichte, sei auch das Cortisol-Level der Tiere besonders hoch gewesen, so die Forscher.

The Natural History Museum

Im Leben eines Bartenwals bildet das Ohrenschmalz nach und nach einen Zapfen, der mehrere Dezimeter lang werden kann und wie ein Baum eine Art Jahresringe besitzt. Die Forscher untersuchten solche Ohrenzapfen von Finn-, Buckel- und Blauwalen aus dem Atlantik und dem Pazifik, die eine Zeitspanne von fast 150 Jahren abdecken.

Anstieg im Weltkrieg

Nach Auskunft der Autoren spiegelt sich der industrielle Walfang deutlich durch das im Ohrenschmalz der Tiere enthaltene Stresshormon Cortisol wider: Je mehr Walfang es gab, desto höher war das Cortisol-Level bei den Tieren. "Wir konnten erstmals temporäre Stressmuster bei Bartenwalen untersuchen", sagte Trumble. "Die Ergebnisse zeigen, dass die Tiere in Zeiten starker Bejagung weitaus größeren Stress erlebten."

Auch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs fanden sich Spuren hoher Cortisol-Konzentrationen im Wal-Ohrenschmalz. Die Forscher vermuten, dass Kriegsaktivitäten wie Detonationen unter Wasser und das hohe Aufkommen von Kriegsschiffen und U-Booten dafür verantwortlich waren.

Bartenwale (hier ein Südkaper) besitzen anstelle von Zähnen Hornplatten im Oberkiefer – sogenannte Barten.
Foto: Imago

Eine Besserung zeichnet sich ab den 1970er-Jahren ab, als die ersten Walfang-Moratorien beschlossen wurden und Maßnahmen zum Schutz der Tiere etabliert wurden. Doch in den vergangenen zwei Jahrzehnten sei wieder ein Anstieg der Cortisol-Konzentration zu beobachten: "Die jüngsten Spitzen erreichten sogar die Höchstwerte aus der Zeit, bevor der kommerzielle Walfang verboten wurde", sagte Usenko. Die Ursache dürfte vor allem der Lärm durch die zunehmende Schiffsfahrt und den Rohstoffabbau in den Meeren sein. (red, 26.11.2018)