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Ein Bild von John Allen Chau aus früheren Tagen.

Foto: REUTERS
Grafik: DER STANDARD
Der 26-jährige John Allen Chau wurde auf den indischen Andamanen-Inseln von einem isolierten Inselvolk getötet.
DER STANDARD

Bei manchen Geschichten drängt sich der Wunsch auf, man möge sie unbedingt filmisch umsetzen. Diese ist so eine, wenn auch ohne Happy End. Der Hauptakteur heißt John Allen Chau, 26 Jahre alt, US-Amerikaner, beseelt davon, das Christentum zu verbreiten. Und nun tot.

Die Geschichte beginnt so richtig in der Nacht des 14. November. Chau, so wird es später heißen, hat Fischer auf den zu Indien gehörenden Andamanen bestochen, ihn in die Nähe von North Sentinel Island zu bringen. Dabei muss man seit 1996 fünf Kilometer Abstand zur Insel halten.

Der Grund dafür: Auf North Sentinel Island lebt mit den Sentinelesen eines der isoliertesten Völker der Welt. Sie lehnen jeglichen Kontakt zur Außenwelt ab. Das respektiert die indische Regierung und schützt die geschätzt 100 Sentinelesen auf der 75 Quadratkilometer großen Insel.

"Hundeköpfige" Menschen

Infos über dieses Volk sind folglich nur spärlich zu finden. Ende des 13. Jahrhunderts beschrieb Marco Polo sie als "hundeköpfige" Menschen, wild und gefährlich. Im 19. Jahrhundert mischten sich die britischen Kolonialherren ein. Bis in die 1990er-Jahre erfolgte sporadischer Kontakt, dann trat der gesetzlich festgeschriebene Schutz in Kraft.

John Chau hielt sich nicht daran und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Die Fischer, die auf Chau nahe der Insel warteten, berichteten, er sei beim Versuch, die Sentinelesen zu missionieren, von ihnen mit Pfeilen getötet und am Strand vergraben worden.

Was folgte, waren die Festnahme der Fischer und Annäherungsversuche der indischen Polizei an die Sentinelesen, um die Leiche Chaus ausfindig zu machen. "Sie haben uns angestarrt, und wir haben sie angeschaut", berichtete der zuständige Polizeichef am Wochenende. Dann machten die Beamten wieder kehrt, um eine Konfrontation zu verhindern.

Sperre mit Lücken

Das alles sei sehr riskant, erklärt Sophie Grig von der NGO Survival International. "Es ist für die Behörden gefährlich, und es ist für die Sentinelesen gefährlich, weil sie keine Abwehrkräfte gegen Krankheiten haben", sagt Grig zum STANDARD. Überhaupt macht sie den Behörden schwere Vorwürfe. "Es ist vollkommen inakzeptabel, dass Fischerboote ohne Probleme in das Sperrgebiet fahren können."

Viel schlimmer wiegt für Grig aber etwas anderes. "Ende Juni wurden Schutzbestimmungen für North Sentinel Island und 28 weitere Inseln der Andamanen aufgehoben, um den Tourismus zu fördern", sagt sie. "Die Insel ist aufgrund anderer Gesetze weiter geschützt, aber es wurde eine falsche Botschaft transportiert. Eine britische Zeitung etwa schrieb fälschlicherweise, man dürfe die Insel nun betreten."

Ein Beitrag von BBC über die Sentinelesen.
BBC News

Für Grig, die sich seit 20 Jahren intensiv mit den Sentinelesen beschäftigt und schon oft auf den Andamanen war, ist deren Verhalten mehr Selbstverteidigung denn aggressives Grundverhalten. Ein Ursprung dafür könnte im Jahr 1879 liegen. Damals haben die britischen Kolonialherren ein älteres Paar des Volkes und Kinder auf die nächstgrößere Insel verschleppt. "Alle erkrankten, das Paar starb rasch, und die Kinder wurden mit Geschenken zurückgeschickt", erklärt Grig, die befürchtet, dass das Einschleppen von Krankheiten damals dramatisch geendet hat. "Diese Erinnerung könnte das Volk noch immer prägen."

Von Aufspießung noch nie etwas gehört

Eine andere Erzählung zweifelt Grig hingegen stark an. 2006 strandeten zwei Fischer auf der Insel. Sie wurden ebenfalls getötet und die Leichen dann, so heißt es, auf Bambus aufgespießt. "Meine Quellen vor Ort haben das damals genau beobachtet. Davon haben sie nie etwas gehört", so Grig, die zum Schutz aller fordert: Die Leiche von John Allen Chau muss bleiben, wo sie ist. (Kim Son Hoang, 27.11.2018)