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Die "Bobs", also die Brexit-Gelangweilten ("bored with Brexit"), sollen Druck auf Gegner von Mays EU-Deal im Parlament ausüben.

Die britische Premierministerin knüpft offenbar ihren Verbleib im Amt an die Verabschiedung des EU-Austrittsvertrags durch das Parlament, wo am 11 Dezember abgestimmt werden soll. Sie werde in den kommenden vierzehn Tagen "in allen Regionen des Landes" für die Kompromisslösung werben, teilte Theresa May am Montag im Londoner Unterhaus mit, also eine Art Wahlkampfreise absolvieren. Geplant sind auch Befragungsrunden mit Bürgern sowie eine Debatte mit Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn im Live-Fernsehen.

Wie stehen die Chancen, dass Theresa May den Deal im britischen Parlamant durchbringt? ORF-Korrespondentin Eva Pöcksteiner berichtet.
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Die Leiterin einer konservativen Minderheitsregierung verteidigte das Paket aus EU-Austrittsvertrag sowie politischer Erklärung über die künftige Zusammenarbeit als "bestmögliche und einzige Lösung". Wer wie die Opposition, aber auch mehrere Dutzend Abgeordnete ihrer eigenen Fraktion auf der Ablehnung bestehe, müsse eine Alternative aufzeigen. "Ich werde mich völlig darauf konzentrieren, die Zustimmung zu erreichen", sagte May.

Starker Gegenwind für EU-Deal

Gut zwei Wochen vor der für 11. Dezember geplanten Abstimmung sieht Mays Aufgabe kaum lösbar aus – so suggerierten es jedenfalls die Schlagzeilen der Londoner Zeitungen am Montag. "Das Schwerste kommt erst noch", titelte The Mirror, von "Theresas wilden Wochen" sprach Daily Mail. Im Parlament haben sämtliche Oppositionsparteien sowie bis zu 90 Torys ihre Ablehnung angekündigt. Zu den Nein-Sagern zählt auch die erzkonservative Unionistenpartei DUP aus Nordirland, die im Unterhaus der konservativen Regierung als Mehrheitsbeschafferin dient.

Innerhalb der Konservativen kommt es zu kuriosen Koalitionen und Gegensätzen. Mit Berufung auf den schottischen Fischereiverband hat sich der Abgeordnete für Süd-Aberdeen, Ross Thomson, auf eine Nein-Stimme festgelegt. Die gleichen Lobbyisten zitierend erklärt hingegen dessen Wahlkreisnachbar Andrew Bowie den Deal für "gut für die Wirtschaft und für meine Stimmbürger".

Zudem übten einige Konservative offenbar Druck auf May aus, einen Zeitplan für ihren Rückzug festzulegen. Das könne helfen, den Widerstand gegen das Brexit-Abkommen mit der Europäischen Union abzubauen, berichtete die "Times" unter Berufung auf Kabinettsmitglieder. Eine Zusage von May, kurz nach dem Austritt aus der EU am 29. März zurückzutreten, könnte Abgeordnete ihrer konservativen Partei milde stimmen.

Battle um Bobs

Offenbar setzt das Team in der Downing Street auf Zuspruch aus der Wirtschaft, auf die Sorge vor dem Chaos-Brexit ("no deal") – und auf die "Bobs", also die Brexit-Gelangweilten ("bored with Brexit"), die des Themas gründlich überdrüssig sind. Sie sollen, so das Kalkül, Druck auf ihre Abgeordneten ausüben.

Allerdings geben die Umfragen May bisher wenig Hoffnung. "Die Leute respektieren ihren Durchhaltewillen. Dass dies dem Deal hilft, ist unwahrscheinlich", glaubt Anthony Wells vom Meinungsforscher YouGov. Zu gespalten sei die britische Öffentlichkeit, zu eindeutig das Misstrauen sowohl von überzeugten EU-Freunden wie von klaren Brexit-Befürwortern.

Ähnlich sieht dies Politikprofessor John Curtice von der Glasgower Strathclyde-Universität. "Bei beiden Gruppen stößt der Vertrag auf Ablehnung", sagte der wohl bekannteste britische Interpret von Meinungsumfragen am Montag der BBC.

Zur Unterstützung der Regierungsstrategie will das Finanzministerium diese Woche ausführliche Berechnungen über die zukünftige Wirtschaftsentwicklung veröffentlichen. Allerdings sind derartige Prognosen mit großer Unsicherheit behaftet. Vor dem Referendum suggerierte der damalige Finanzminister George Osborne, die Austrittsentscheidung werde zu unmittelbarer Rezession führen. Stattdessen erfreute sich die Wirtschaft, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in anderen Industrienationen, eines kontinuierlichen Zuwachses.

US-Präsident Donald Trump deutete nun aber an, dass der ausverhandelte Deal ein amerikanisch-britisches Handelsabkommen gefährden könnte. "Es hört sich nach einem großartigen Deal für die EU an", sagte Trump. "So wie der Deal aussieht, könnte es sein, dass sie nicht in der Lage sind, mit uns Handel zu treiben, und ich glaube nicht, dass sie das wollen", sagte Trump. "Das wäre ein großes Minus für den Deal." (Sebastian Borger aus London, 27.11.2018)