Finaler Schock: Marina Rebeka als Mimì in "La Bohème".

Foto: Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Wäre die Inszenierung eine natürliche Person, hätte sie gerade einmal das Pensionsalter erreicht. Vor 65 Jahren wurde Franco Zeffirellis damals international maßstabsetzende Inszenierung von Giacomo Puccinis La Bohème erstmals an der Wiener Staatsoper gezeigt.

Der Regisseur ist inzwischen 95 Jahre alt, und die Zahl der Aufführungen am Ring nähert sich der 500er-Marke. Wer die Produktion liebt, könnte sie leicht für das Werk selbst halten, wer sie schlichtweg als Kitsch betrachtet, zweifeln und verzweifeln. Gewiss ist auch diese Inszenierung in der Ära von Dominique Meyer weit besser in Schuss, als sie vordem war. Details werden mit Hingabe gepflegt, doch die Patina sitzt an allen Ecken und Enden der sich auf die riesige Bühne erstreckenden Dachkammer ebenso wie auf Straße und verschneitem Feld.

Exzellente Rollendebüts

Mit gleich sechs Rollendebüts wartet die aktuelle Serie auf – und die sind alle exzellent: Der Rodolfo von Benjamin Bernheim atmet wohldosierten Schmelz, als Mimì verzichtet Marina Rebeka auf aufgesetztes Husten und bietet vokale Wärme. Der Marcello von Clemens Unterreiner ist von kerniger Virilität, souverän auch Musetta (Mariam Battistelli), Schaunard (Samuel Hasselhorn) und Benoît (Hans Peter Kammerer). Außer in den großen Liebesmomenten und im Augenblick des Todes der Mimì wirkt die statisch befüllte Bühne allerdings eher als Hemmschuh der Emotionen.

Fluss und Feuer drängen jedoch aus dem Orchestergraben, wo Speranza Scappucci mit viel Attacke und Esprit zu Werke geht: Die lebenshungrige, vordergründige Heiterkeit der Bohemiens wird so ebenso plastisch wie die verzweifelten Gefühlsregungen der Liebesbedürftigen und der finale Schock. Wie das ähnlich drastisch, wie es dank der Dirigentin klingt, auf der Bühne aussehen könnte, bleibt jedoch der Fantasie überlassen. (daen, 27.11.2018)