Künstler verdienen im Schnitt nur 5.000 Euro pro Jahr, berichtete DER STANDARD kürzlich. "Heimat großer Hungerkünstler", kommentierte Stefan Weiss. Ein Thema, das auch die Leserschaft beschäftigt. Die einen schildern ihre Erfahrungen als Künstler, die anderen ihr Verständnis von Kunst – und was (nicht) gefördert werden sollte. Eine polarisierte Debatte in den STANDARD-Foren.

Poster "Affenpilot mit Armen aus Wurst": "Wer eine lebendige Kulturlandschaft will, sollte verstehen, dass dies aktuell nur durch Unterstützung der öffentlichen Hand möglich ist."
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Wa(h)re Kunst

Da findet man zuhauf Positionen wie jene von Poster "Präsi", der Kunstförderung generell infrage stellt:

"Kunstförderung sollte komplett eingestellt werden. Wo liegt der Mehrwert, wenn das geschaffene Werk offensichtlich nicht von der breiten Masse oder aber von einem reichen Mäzen gewünscht ist? Qualität und wahre Kunst wird sich auch dann durchsetzen, der Rest scheint es unserer Gesellschaft nicht wert zu sein. Zu lange zahlt die Allgemeinheit schon für Kunst, die eigentlich niemand will und braucht."

Oder Poster "zu Hause", einer von vielen Usern, die brotlose Kunst mit "Hobby" gleichsetzen:

"Wenn man von seinem Job nicht leben kann, dann muss man sich halt einen anderen suchen. Das geht allen anderen Erwerbstätigen genauso. Denn wenn man davon nicht leben kann, dann ist es kein Beruf, sondern ein Hobby, das man im Nebenerwerb ausüben kann."

Poster "jetzt frag ich mich" an die Adresse jener, die finden, dass Künstler, die nicht von ihrer Kunst leben können, doch etwas anderes machen sollen:

"Da hätte dann van Gogh und viele andere, die nicht von ihrer Kunst leben konnten, den Pinsel besser weggelegt, was? Heute verdienen die Länder, in denen diese 'verdienstlosen' Leute gelebt haben, sattes Geld mit ihnen. Bitte sich außerdem über die Summen zu informieren, die Österreich aus dem Ruf, eine Kulturnation zu sein, lukriert. Dann die Honorare in Erfahrung bringen, die Künstlerinnen und Künstler in Österreich so 'kassieren'."

"Kunst ist eben kein Business"

Poster "Any Given Sunday" warnt davor, Angebot und Nachfrage gegeneinander aufzurechnen:

"Kunst ist eben kein Business, dessen Wert man mit Geld messen kann. Der gesellschaftliche Wert ist um ein Vielfaches höher, und eine Milchmädchenrechnung – Angebot und Nachfrage – ist in diesem Fall viel zu kurzsichtig und zu einfach. Viele derer, die heute in den größten Museen der Welt hängen, haben zu Lebzeiten am Hungertuch genagt."

Poster Christian Sist erklärt, dass sich Investitionen in Kunst lohnen:

"Kunst und Kultur tragen massiv zum Bruttoinlandsprodukt dieser Republik bei. Im Schnitt kann man davon ausgehen, dass jeder investierte Euro drei Mal wieder zurückkommt. In Wien ist der Wert sogar viel höher. Also selbst alle, die Kunst abgrundtief hassen und sie zivilgesellschaftlich für vollkommen unnötig oder sogar störend halten, sollten sehr dafür sein, da sie Milliarden in die Staatskasse spült!"

Poster "Ziviles Denken" warnt vor "flach-gleichem Markendingsbums":

"Danke für den Artikel, mehr davon. Über Kultur kann nicht genug geschrieben werden, derzeit ist es zu wenig. Kultur ist doch das, was unsere Gesellschaft interessant macht. Ohne wären wir nur mehr flach-gleich überall, ein Markendingsbums mit endlosen Serien, Geplärre und Fastfood. Alles, was darüber hinausgeht, wird unter zunehmend riskanter werdenden Bedingungen von Menschen hergestellt, die Visionen haben und noch die Kraft, so lange zu experimentieren, bis was rauskommt."

"Die österreichische Musikwirtschaft ist zu klein"

Dass Künstler-Sein Kraft kostet, beschreibt Poster "Affenpilot mit Armen aus Wurst", er war nach eigenen Angaben Musiker:

"Ich war jahrelang in Österreich als Musiker aktiv. Viele Konzerte, viel Airplay, gute Verkäufe sowohl physisch im Handel als auch online. Klarerweise mit Label und Vertrieb. Also die meisten Menschen würden wohl sagen 'professionell'. Allerdings hat jeder von uns in der Band ganz normal arbeiten müssen, um das irgendwie zu finanzieren. Nach ein paar Jahren wird das echt Hardcore, vor der Arbeit Radiointerview, nach der Arbeit Proben. Am Wochenende Auftritte und im Urlaub Tour. Mit den Einnahmen deckst du die Ausgaben. Die Förderungen bezahlen die Techniker und zum Beispiel das Coverdesign, aber niemals dich als Musiker. Wenn du was verdienen willst, musst du sehr viel spielen, und das ist eben nicht so leicht mit Job."

Sein Fazit: In Österreich ist es "trotz großem (Kauf)Interesse an der eigenen Musik schwer, sich über Wasser zu halten":

"Eine Gesellschaft, die 'professionelle' und 'international anerkannte' Acts haben will, muss auch ein bisschen darin investieren. Zumindest sollte an einem Umfeld gearbeitet werden, in dem sich 'erfolgreiche' Kunst entwickeln kann. Irgendwann wird es sonst sehr schwer, auch für sehr talentierte Menschen in dem Sektor, zu überleben, außer sie haben reiche Eltern. Also recht einfach: Wer professionelle Musik aus Österreich fordert, sollte sie auch fördern."

Für ihn ist deshalb klar:

"Ohne Fördermittel wird der Anteil an 'uninspiriertem Müll' im Bereich Musik im Radio jedenfalls deutlich steigen. Aber na ja, ich kann mich nur wiederholen: Die österreichische Musikwirtschaft ist zu klein, um sich selbst zu erhalten. Wer Innovation in dem Bereich will und eine lebendige Kulturlandschaft, sollte verstehen, dass dies aktuell nur durch Unterstützung der öffentlichen Hand möglich ist. Es geht nicht darum, irgendwem etwas zu schenken, sondern Talente zu fördern und bereits etablierten Künstlern das Weiterarbeiten zu ermöglichen."

Mindesthonorare für Kunst- und Kulturschaffende?

Auch Leser Heinz Kohlbauer aus Wien berichtet aus eigener Erfahrung:

"Wie die fünf kurzen Selbstdarstellungen im Bericht zeigen, sind Bedürfnisse und Anforderungen von Künstlerinnen und Künstlern sehr unterschiedlich und abhängig vom Bereich, in dem sie tätig sind. Standesvertretungen, wie sie andere Berufsgruppen in Form von Gewerkschaften haben, gibt es oft bei Künstlerinnen und Künstlern nicht, vor allem, wenn sie freischaffend sind. Als freischaffender Musiker kann ich – obwohl nicht Sänger – davon nicht nur ein Lied singen. Würde ich nicht auch zwei anderen Tätigkeiten, einer davon im Angestelltenverhältnis, nachgehen, würde mein Lebensstandard anders aussehen. Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden – wie sie Herr Lurf auch anführt – sind eher die Regel als die Ausnahme. Kolleginnen erzählen mir, dass sie für die Betreuung ihres Kindes in Form einer Babysitterin de facto mehr ausgeben, als ihnen etwa der Substitutendienst im Graben eines staatsnahen Betriebs nach Abzug von Abgaben einbringt, und sie es nur deshalb machen, um 'im Geschäft' zu bleiben. Eine Erhöhung der Substitutenhonorare kommt vielleicht alle heiligen Zeiten einmal vor. Indexanpassung? Was ist das? Reallohn? Ha! Ein Kollege, der regelmäßig als Substitut im Graben eines anderen staatsnahen Hauses spielt, bringt es mit der Aussage 'die Menge macht’s' auf den Punkt. Beispielgebend für die Betreiber von Touristenkonzerten, zu denen jährlich hunderttausende Touristen strömen, ist das keinesfalls, auch wenn diese ohne staatlichen Förderungen agieren.
Musikerinnen und Musiker, die unter anderem für Hollywood-Produktionen Filmmusik einspielen, werden mit einem Hungerlohn abgespeist und verzichten dabei noch auf sämtliche Rechte in Form von Tantiemen. Hat sich der Gesetzgeber schon einmal gefragt, wer die einstreift, oder sich Gedanken über Mindesthonorare gemacht?
Schön, dass DER STANDARD dieses vernachlässigte Thema aufgreift. Gebt den Künstlerinnen und Künstlern eine, nein viele Stimmen!" (27.11.2018)