Ein satter, wachsamer Grüner Leguan während der Mittagsruhe.

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Während das Großhirn darauf spezialisiert ist, rational zu denken, intuitiv zu entscheiden und kreative Leistungen zu erbringen, sind die limbischen Zwischenhirnteile für die Gefühlswelt zuständig: Mitleid, Zorn, Liebe, Wut, Ärger entstehen durch die Bündelung von langen Nervensträngen. Bei Tieren ist im Querschnitt zu erkennen, dass die Gefühlsebene noch viel stärker ausgeprägt ist als der noch schmale Streifen des Großhirns. Hunde und Katzen sind also viel gefühlsbetonter und wenig rational. Das ist der Grund, warum Waldi und Mieze von den einsamen, alten Herrln und Frauerln so sehr geliebt werden: Sie erwidern intensiv unsere Gefühle.

Das Stammhirn besitzt seit Urzeiten die Funktion des "Notstromaggregats". Bei einem Unfall übernimmt es ansatzlos diese Funktion. Dieser Einheit geht es ausschließlich um Überlebenssicherung. Das Reptil in uns wittert jede Bedrohung – ob real oder nicht – und ist dazu da, den Organismus um jeden Preis zu schützen und zu sichern. Einmal alarmiert, kennt es kein Pardon, nimmt auf die anderen Hirnteile keine Rücksicht, weil das die eigene Funktion gefährdet.

Populistische, ideologisch fanatische, religiös fundamentalistische, nationalistische, extremistische Parteien spielen die Rolle dieses Hirnteils. Sie müssen taktisch angriffig, heimtückisch und fluchtbereit sein, um Sicherheit zu gewährleisten. Ähnlich kaltblütig wie Echsen kennen sie kein Mitgefühl, sondern primär Eigeninteresse zur Erhaltung der Art.

Angst und Alarmismus

Die älteren Hirnstrukturen sind den jüngeren hierarchisch weit und immer überlegen. Auch wenn ihre Logik nur eine binäre ist: Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Freund/ Feind. Das limbische System der Mitmenschlichkeit hat keine Chance, im Alarmzustand zur Geltung zu kommen. Die Sozialdemokratie hat es in Angstzeiten schwer. Und die konservative Politik denkt. Sie bietet vielleicht sehr kluge, rationale Lösungen an, aber sie werden von den schrillen Alarmglocken der Angstmache übertönt. Auch wenn die wahre Bedrohung längst vorbei ist, liegt die Echse auf der Lauer und bleibt auf Sicherheitsstufe Rot.

Wann erlahmt die Kraft des "Alarmismus"? Wenn er lächerlich gemacht wird. Kabarett, Witze und Karikaturen sind unerträglich für die Verbohrten! Sofort drohen sie mit Kampfrhetorik von Lügen über Betrügen (Stichwort Fake-News), eisernen Schutzmaßnahmen ("law and order") oder Kriegsgeschrei. Der Mechanismus klinkt im fernen Pakistan per Blasphemiegesetz ebenso ein wie im Europa der Flüchtlingswelle oder in den USA beim Auftauchen von ein paar Tausend Mittelamerikanern an der Grenze: Schießbefehl, Todesstrafe!

Angsthypnose

Warum Donald Trump in den USA so erfolgreich ist, erklärt diese Theorie: Er bedient die beiden Hemisphären des polarisierenden, hemmungslosen Reptils ebenso wie das simple, rationale Heilsversprechen, durch Business-Techniken reich und mächtig zu machen: America great again! Und so trampelt er als eine Art Tyrannosaurus rex umher, während Demokraten und aufgeklärte Medien in Angsthypnose dieses Wahnsinnsspektakel wie die Karnickel vor der Schlange beäugen.

Und in Österreich? Da wird am 8. 11. eine Tschetschenen-Familie abgeschoben mit einem schwerkranken Sohn, der in Russland und Tschetschenien achtmal operiert und verpfuscht wurde, einen Seitenausgang und jahrelang Windeln tragen musste, mit seinen zehn Jahren durch die Operationen schwer traumatisiert wurde und deswegen psychotherapeutische Betreuung braucht. Sein Vater wagte es in der Russischen Föderation, den Gesundheitsombudsmann anzurufen, was ihm die polizeiliche Drohung einbrachte, ins Gefängnis zu kommen. Wenn das nun passiert, katapultiert das die Mutter mit dem kranken Buben und ihren zwei Töchtern in eine ausweglose Situation.

Namen der Verantwortlichen und Richter, die solche Urteile, die einem Todeskommando gleichkommen, fällen, sollten aufgelistet werden von einem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes! Damit man sich später an sie erinnert, wenn dieser Neofaschismusanfall vorbei ist.

Österreichischer Albtraum

Die Abschiebung spielte sich innerhalb von 24 Stunden ab: Ablehnungsbescheid, zwei Stunden später Anruf der Polizei beim Anwalt, wo "die" denn seien, um 23 Uhr stand der Polizeieinsatzwagen mit seinen Schergen im Hof des Flüchtlingsquartiers, und am nächsten Tag um zwölf Uhr war die Familie im Flieger nach Moskau. Ein österreichischer Albtraum im Jahr 2018! Ganz ohne humanitäres Bleiberecht. Der Innenminister sollte bekanntgeben, was seine Menschenrechtsexperten unternehmen, um herauszufinden, wie es Abgeschobenen in der alten "Schubheimat" ergeht und ergangen ist!

Der Spuk der populistischen "Alarmismuspolitik" wird erst vorbei sein, wenn die Zivilgesellschaft den Angstmachern das Wasser abgegraben hat. Und das kann bei der Weltlage dauern. (Othmar Hill, 27.11.2018)