Die Journalistengewerkschaft in Tunis macht mit einem Transparent, auf dem Mohammed bin Salman mit einer Kettensäge abgebildet ist, klar, dass der saudische Kronprinz bei ihnen alles andere als willkommen ist.

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Auf der Demonstration waren zahlreiche Sägen zu sehen.

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Unübersehbar prangt seit Tagen ein Banner am Hauptsitz der tunesischen Journalistengewerkschaft SNJT in Tunis: Es zeigt Mohamed bin Salman (kurz: "MbS") mit einer Kettensäge in der Hand – eine unmissverständliche Andeutung, die auf den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi abzielt.

Anlass für das Plakat ist der Besuch des umstrittenen saudi-arabischen Kronprinzen, der Tunis als Teil seiner ersten Auslandsreise seit dem Mordfall besucht. Aktivisten, Journalisten, Oppositionelle und Anwälte machen bereits seit Tagen lautstark und demonstrativ klar, dass MbS nicht willkommen ist. Selten hat in Tunesien der Besuch eines ausländischen Gastes für solchen Zündstoff gesorgt.

Die SNJT bezeichnete den Kronprinzen als "wahren Feind der freien Meinungsäußerung" und nannte ihn in einem offenen Brief an Tunesiens Staatspräsident Beji Caïd Essebsi eine Gefahr für Sicherheit und Frieden in der Region und der Welt. Sie forderte die Absage des Besuches.

Auch Menschenrechtsgruppen, Studentengewerkschaften und Frauenrechtsorganisationen wie die Vereinigung demokratischer Frauen, die ihren Hauptsitz ebenfalls mit einem Banner schmückte – MbS hält diesmal eine Peitsche in der Hand – sowie rund ein Dutzend zivilgesellschaftlicher Zusammenschlüsse brachten auf einer Pressekonferenz am Montag ihre Empörung über den Besuch zum Ausdruck.

Hunderte bei Demonstration

Eine Internetkampagne tunesischer Aktivisten hatte für Montag und Dienstag auch zu Demonstrationen gegen den hohen Besuch aufgerufen. Hunderte Menschen versammelten sich in der Avenue Bourguiba im Stadtzentrum von Tunis und protestierten. Eine Gruppe tunesischer Anwälte reichte sogar eine Klage gegen den Prinzen ein, in der diesem Kriegsverbrechen im Jemen vorgeworfen werden. Hamma Hammami, Chef der Volksfront, eines linken Parteienbündnisses, bezeichnete die MbS-Visite als "Provokation des tunesischen Volkes, seiner Revolution und Prinzipien".

Die Vehemenz der Kritik aus der Zivilgesellschaft erklärt sich auch aus der Tatsache, dass Riad dem 2011 gestürzten Diktator Tunesiens, Zine el-Abidine Ben Ali, seit dessen Flucht Unterschlupf gewährt und gute Beziehungen zu Kräften im Land unterhält, die Ben Ali nahestehen. Essebsis Berater Noureddine Ben Ticha bekräftigte jedoch am Wochenende, MbS sei willkommen. Tunesien habe eine klare Position im Fall der Ermordung Khashoggis und fordere die Bestrafung der Verantwortlichen. Das Land könne aber nicht erlauben, dass dieser Mord dazu genutzt werde, die Stabilität eines brüderlichen Landes wie Saudi-Arabien zu beschädigen, so Ben Ticha.

Ähnlich äußerte sich auch Algeriens Regierung, die MbS im Dezember bei sich zu empfangen plant: Während der Sprecher des Außenministeriums, Abdelaziz Benali Cherif, die Ermordung Khashoggis verurteilte und sich "überzeugt" zeigte, dass die saudische Justiz Licht in die Angelegenheit bringen werde, kritisierten Journalisten, Menschenrechtsgruppen wie die LADDH sowie Vertreter der Opposition den geplanten Besuch den Kronprinzen scharf.

Ausgedehnte Reise

Dieser war bereits am Donnerstag vergangener Woche zu einer ausgiebigen Reise durch die Region aufgebrochen. Er besuchte bereits die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten, bevor er später in Algerien und Mauretanien erwartet wird. Mit seiner Reisetätigkeit sucht der Kronprinz den Schulterschluss mit seinen Verbündeten und geht im regionalen Kräftemessen mit der Türkei und dem Golfstaat Katar in die Offensive.

Während sein Kurzbesuch in Ägypten am Montag angesichts der engen Beziehungen ein Heimspiel war, sind seine Visiten in Tunis und Algier pikanter, pflegt doch Regionalrivale Türkei inzwischen beste Beziehungen zu beiden Ländern und hat hier ausgiebig investiert. Zum Unmut Riads unterhält Algerien zudem gute Beziehungen zu Saudi-Arabiens Erzfeind Iran. Das Land hat sich im Syrien-Konflikt nicht vor den Karren Riads spannen lassen.

Am Wochenende will der Prinz außerdem am G20-Gipfel in Argentinien teilnehmen. Doch auch hier regt sich Widerstand: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte am Montag in Buenos Aires Anzeige wegen der Folterung und Tötung Khashoggis gegen MbS erstattet und fordert dessen Verhaftung während des Gipfeltreffens. (Sofian Philip Naceur, 27.11.2018)