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General Motors wird rund 14.000 Stellen in Nordamerika streichen. Allein in den USA fallen mehr als 3.000 Jobs am Fließband weg.

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In Lordstown Ohio wird gerechnet. Ein Arbeitsplatz in der Industrie schafft zwei weitere Jobs in einem anderen Sektor. So lautet die alte Faustregel. In der Kleinstadt mit 3.500 Einwohnern sorgt sie derzeit für Angst und Verunsicherung.

General Motors hat zu Wochenbeginn angekündigt, fünf seiner Werke in Nordamerika schließen zu wollen. Betroffen ist auch die Fabrik in Lordstown, wo der Chevrolet Cruze hergestellt wurde. Für die rund 1.500 Arbeitnehmer ist bis spätestens 1. März 2019 Schluss. "Für die Region ist das eine Tragödie, die gerade erst beginnt", sagt John Russo, ein US-amerikanischer Arbeitsforscher, der aus der Gegend stammt.

Folgen für Zulieferer

Nach der Fabrik würden auch die Zulieferer dichtmachen müssen, sagt Russo. In der Tat hat mit Comprehensive Logistics ein weiterer Hersteller in der Umgebung unmittelbar nach General Motors angekündigt, schließen zu müssen. Comprehensive Logistics stellt Autoteile für das GM-Werk her, 180 Arbeitsplätze sind betroffen.

Nach den Zulieferern werden auch Handwerker und andere Dienstleister mit dem Abbau beginnen, prophezeit Russo. Dann komme die Verwaltung, Polizei und Rettung dran. Wenn eine Fabrik schließt und Steuereinnahmen wegfallen, beginne meist für einen ganzen Ort, eine ganze Region eine Schrumpfkur. So könnten am Ende aus den 1.500 Kündigungen entsprechend der Faustregel bis zu 4.500 werden.

Getrübte Trump-Bilanz

Die Ankündigung von General Motors hat nicht nur die betroffenen Regionen hart getroffen. Sie trübt auch die Bilanz des US-Präsidenten. Trump hatte seinen Wahlerfolg 2016 im Wesentlichen seinem guten Abschneiden in den ehemaligen Arbeiterhochburgen der Demokraten in den Rust-Belt-Staaten Ohio, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin zu verdanken.

In der Umgebung von Lordstown, wo nach wie vor viele Fabriken stehen, hat Trump seine Gegnerin Hillary Clinton zwar nicht besiegen können. Er ist aber fast gleichauf mit ihr gezogen, was angesichts der Tatsache, dass die Gegenden demokratische Hochburgen waren, eine Sensation war.

In den vergangenen Monaten sah es danach aus, als würde Trump sein Wahlkampfversprechen wahrmachen und Industriejobs zurückbringen. In den vergangenen zwölf Monaten ist die Zahl der Arbeitsplätze in der US-Industrie so stark gestiegen wie seit 25 Jahren nicht mehr. Mehr als 35.000 zusätzliche Industriejobs sind entstanden. Die Produktion läuft ohnehin schon lange rund, der Output der US-Industrie ist so stark wie zuletzt 2007 und damit auf einem historischen Höchststand.

Trendwende

Das kann den dramatischen Verlust an Arbeitsplätzen, der über die vergangenen Jahrzehnte stattgefunden hat, nicht kompensieren. Noch im Jahr 2000 gab es in den USA 17 Millionen Arbeitsplätze in der Industrie. Heute sind es nur noch 12,7 Millionen. Doch immerhin setzte eine Trendwende ein. Nicht nur die Zahl der Industriearbeiter ist zuletzt wieder gestiegen. Auch ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung hat sich stabilisiert – nach langen Jahren des Rückgangs.

Ökonomen sind sich zwar weitgehend einig darüber, dass Trump, seine Zölle gegen chinesische Unternehmer sowie Stahl- und Aluminiumimporte nicht Auslöser der Erholung waren. Er war eher Nutznießer einer "kurzfristigen" Entwicklung, wie der Ökonom Gary Hufbauer sagt. So befindet sich die US-Wirtschaft im längsten Aufschwung ihrer Geschichte, die Auftragslage ist gut, was der Industrie hilft. Zudem dürfte die Industriebeschäftigung von anderen Faktoren profitiert haben.

Mexiko statt USA

Woran es aber auch lag, Schlagzeilen über das Wachstum der Industriebeschäftigung wusste Trump für seine Argumentation zu nutzen. Damit ist es vorbei: General Motors wird 14.000 Beschäftigte in Nordamerika abbauen, davon mehr als 3.000 Fließbandarbeiter in den USA. Für Trump besonders unangenehm ist, dass der Konzern parallel den Ausbau seiner Produktion in Mexiko angekündigt hat. In Mexiko betreibt GM drei Werke, erst im Frühjahr gab GM bekannt, einen neuen SUV in Mexiko bauen zu lassen.

Während von Mexiko aus der US-Markt beliefert wird, attackierte Trump General Motors vor allem deshalb, weil der Konzern in China auch Pkws für den chinesischen Markt bauen lässt.

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Auch in Kanada gibt es Proteste gegen die Sparpläne von GM.
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Für den Arbeitsforscher Russo, der an der Georgetown University in Washington, D.C., unterrichtet, zeigt die ganze Causa die Hilflosigkeit des Präsidenten. "Es gibt nichts, was Trump gegen die Verlagerung der Jobs tun kann." Das Dramatische sei, sagt der Ökonom, dass es in den USA keine öffentlichen Maßnahmen gibt, um den Jobabbau abzufedern. "Es wird erwartet, dass sich die Menschen selbst einen neuen Job suchen." Russo selbst geht davon aus, dass sich die Menschen in Ohio auch zunehmend vom Präsidenten im Stich gelassen fühlen. (András Szigetvari, 28.11.2018)