Mit einem penisähnlichen Organ holen die Staublausweibchen das Sperma aus den Männchen.

Foto: Kazunori Yoshizawa

Das Organ ist mit Widerhaken versehen und lässt sich aufpumpen, sodass die Männchen bis zu 70 Stunden daran festhängen.

Foto: Kazunori Yoshizawa

Mangelt es an Nahrungsquellen, kommt die Natur manchmal auf bemerkenswerte Strategien, wenn es um die Erschließung von Ressourcen geht. Ein sowohl sozial wie auch biomechanisch einzigartiges Beispiel dafür stellt ein Höhleninsekt dar, das Wissenschafter nun genauer unter die Lupe genommen haben und das künftig vielleicht auch als Vorbild für neue Ansätzen in der Technik dienen könnte: Die Weibchen einer Staublausart in Südamerika ernähren sich unter anderem vom Sperma der Männchen ihrer Art. Um an dieses zu gelangen, nutzen die Tiere ein penisartiges Organ.

Im nahrungsarmen Höhlenhabitat in Brasilien ernähren sich die Staubläuse üblicherweise von Fledermauskot. Die Weibchen dieser Insektengruppe allerdings gestalten ihren Speiseplan dank einer ausgeklügelten Technik proteinreicher. Sie nutzen ein eigenes mit Widerhaken ausgestattetes Organ, um es in die Männchen ihrer Spezies einzuführen, dort aufzublasen und auf diese Weise gefangen zu halten. Über einen Zeitraum von 40 bis 70 Stunden werden dann die vom Männchen gebildeten Kopulationsprodukte abgepumpt.

Spermien kommen in die Vorratskammern

Über das neu entdeckte Ventil werden die Spermienpakete im Körper des Weibchens in speziellen Kammern gespeichert, die einzeln angesteuert werden können. Weibchen bilden bis zu elf solcher Kammern, die einzeln oder paarig am Ventilapparat befestigt sind. Der Ventilmechanismus erlaubt den Weibchen alternativ auch, mehrere Männchen nacheinander zu "beglücken" und die Spermien getrennt voneinander in einer Art Vorratskammer einzulagern.

Wie das Forscherteam um Alexander Blanke von der Universität zu Köln im Fachjournal "eLife" zeigen konnte, hat die Spermajagd weniger mit der Sicherung von Nachkommen zu tun habe, da nur ein geringer Teil der Spermien tatsächlich zur Befruchtung genutzt wird: "Nahrung ist in der Höhle ein rares Gut und die Weibchen haben hier offensichtlich eine Strategie entwickelt, die Kopulationsprodukte der Männchen als Nahrungsquelle zu nutzen. Wir haben beobachtet, dass teilweise gerade gefüllte Spermakammern direkt wieder vom Weibchen abgebaut und verdaut wurden. Durch die Spermapakete als Ergänzung zum Fledermauskot können die Weibchen ihre Nahrungsquelle diversifizieren und somit Ihre eigene Überlebenschance und die Ihrer Nachkommen steigern", sagt Blanke.

Ausgeklügeltes Wechselventil

Nicht nur die Spermajagd als solche ist ungewöhnlich, auch das dabei eingesetzte Organ erweist sich als weitgehend einzigartig. Die Wissenschafter nutzten die Synchrotron-basierte Computertomographie zur Erstellung eines hochauflösenden 3D-Modells des Kopulationsorgans der Weibchen. Das dabei erstmals gefundene und nur wenige Mikrometer große, sogenannte Wechselventil kann Flüssigkeit gezielt in verschiedene Kammern leiten.

"Das Ventil besteht aus mehreren Platten, die sich durch einen gummiartigen Stoff, das sogenannte Resilin, verbiegen können. Die Kraft eines fächerartig aufgespannten Muskels führt dazu, dass, je nach Kontraktion der einzelnen Muskelteile, Zuführgänge geöffnet und andere gleichzeitig geschlossen werden. Das Schließen der Zuführgänge geschieht hierbei passiv durch die im Resilin gespeicherte Energie", erklärt Blanke.

Der prinzipielle Aufbau dieses Ventils sei bisher einmalig in der Natur: "Durch den Wechsel der Geschlechterrollen bei dieser Spezies sind es die Weibchen, die um die Männchen konkurrieren. Dies hat offenbar auch die Evolution von neuen Strukturen wie die des Wechselventils zur Folge gehabt." (red, 28.11.2018)