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Matteo Salvini ließ unlängst eine Mafia-Villa einreißen. Nun sind einem neuen Gesetz nach kommunale Asylzentren dran – die einzigen Einrichtungen, die Migranten bisher Integration, Italienischunterricht und Obdach geboten hatten. Jene, die nun ohne diese Möglichkeiten dastehen, könnten wiederum zu gefundenen Fressen für die Mafia werden.

Foto: AP / Gregorio Borgia

Das neue Gesetz ist eine Revolution, das den italienischen Städten mehr Ruhe, Ordnung, Regeln und Gelassenheit bescheren wird", erklärte Innenminister Matteo Salvini, nachdem die Abgeordnetenkammer sein "Sicherheitsdekret" in einer ersten Vertrauensabstimmung mit 336 zu 249 Stimmen gutgeheißen hatte (eine zweite Abstimmung am Mittwochabend galt als Formsache). Der Vizepremier und Chef der rechten Lega bezog sich dabei vor allem auf geplante Maßnahmen zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit – etwa den Einsatz von Elektroschockgeräten durch die Polizei oder die unbürokratischere Räumung besetzter Häuser.

Eine "Revolution" sei das Dekret aber vor allem für die Asylpolitik Italiens, die völlig umgepflügt wird: Das humanitäre Bleiberecht wird praktisch abgeschafft. Diesen Status erhielten bisher Bewerber, welche die klassischen Asylvoraussetzungen zwar nicht erfüllen, für die aber aufgrund ihrer persönlichen Situation eine Ausweisung nicht zumutbar erscheint. Mit 28 Prozent war diese Form des Bleiberechts zuletzt der häufigste Grund für eine Aufenthaltsbewilligung für Asylbewerber in Italien; reguläre Asylbescheide machen nur acht Prozent aus.

Ebenfalls abgeschafft werden die kommunalen Asylzentren (Sprar), in denen Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge bisher Italienischunterricht erhielten und bei der Arbeitssuche unterstützt wurden. Bei diesen Einrichtungen handelte es sich bis dato um die einzigen in Italien, in denen Integrationsangebote für Migranten existierten. In den kleinen Wohn- und Betreuungseinheiten sind heute etwa 30.000 der insgesamt 130.000 registrierten Asylbewerber in Italien untergebracht. Statt auf die kleinen, kommunalen setzt Salvini nun auf große Zentren – die aber laut Experten anfällig sind für die Unterwanderung durch die Mafia.

Viele Verschärfungen

Zumindest auf dem Papier soll mit dem neuen Gesetz auch die Abschiebung von Asylbewerbern erleichtert werden, deren Gesuch abgelehnt worden ist. Die Aufenthaltsdauer in den Abschiebezentren wird zu diesem Zweck von maximal 90 auf 180 Tage verdoppelt. Das Problem: Wegen fehlender Rücknahmeabkommen mit den meisten Herkunftsländern kann Italien monatlich nur wenige hundert der rund 490.000 "Illegalen" tatsächlich "nach Hause schicken", wie Salvini im Wahlkampf versprochen hatte. Der Innenminister musste unlängst selber zugeben, dass es beim heutigen Rhythmus 80 Jahre dauern würde, bis alle "clandestini" Italien verlassen hätten.

Kritiker des neuen Sicherheitsdekrets warnen, dass die Zahl der "Illegalen" zunehmen werde. Diejenigen Flüchtlinge, denen die humanitäre Aufnahme verweigert wird, befänden sich ja schon im Land und können in den allermeisten Fällen nicht abgeschoben werden. Sie würden künftig in die Illegalität gedrängt. Laut dem auf Migration spezialisierten Thinktank Ispi werde die Zahl der "Illegalen" mit der Abschaffung des humanitären Bleiberechts bis zum Jahr 2020 auf rund 620.000 ansteigen.

Kontraproduktiv dürfte sich auch die Aufhebung der kommunalen Asylzentren auswirken, weil viele Menschen wohl auf der Straße landen werden: "Man schafft die einzigen Einrichtungen ab, die in der Bevölkerung akzeptiert waren und die soziale Spannungen verhindern konnten", betont der Chef des italienischen Gemeindeverbands, Antonio De Caro. Die Flüchtlinge, die unvermittelt den Italienischunterricht abbrechen müssen und ihr Obdach verlieren, würden "im besten Fall Häuserbesetzer und Schwarzarbeiter – im schlechteren Fall werden sie von der organisierten Kriminalität angeheuert", betont De Caro. Das Ergebnis sei nicht mehr, sondern weniger öffentliche Sicherheit. (Dominik Straub aus Rom, 28.11.2018)