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Petro Poroschenko (2. v. re.) am Mittwoch bei einer Übung ukrainischer Soldaten bei Tschernihiw.

Foto: Mykola Lazarenko, Presidential Press Service via AP

Die Zeichen im Schwarzen und Asowschen Meer stehen weiter auf Sturm: Russland denkt gar nicht daran, der Forderung nach einer Rückgabe der in der Meerenge von Kertsch gefangen genommenen ukrainischen Seeleute nachzukommen. Die Besatzungen der drei von Russland aufgebrachten Marineboote sind auf der Krim in U-Haft. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen Grenzverletzung eingeleitet, damit drohen den mehr als 20 Männern sechs Jahre Haft.

Russlands Präsident Wladimir Putin verteidigte am Mittwoch das harte Vorgehen der Küstenwache, die die ukrainischen Schiffe unter Beschuss genommen hatte. Die Grenzer hätten lediglich ihre Aufgabe erledigt. Das Vorgehen der ukrainischen Marine hingegen sei eine Provokation, "organisiert von der Obrigkeit und, wie ich denke, vom amtierenden Präsidenten im Vorfeld der Präsidentenwahl im März." Dort habe Petro Poroschenko nämlich schlechte Chancen, wenn er die Lage nicht verschärfe, so Putin.

Poroschenko seinerseits erhob schwere Vorwürfe gegen Moskau. Russland habe erneut Truppen an der Grenze konzentriert und die Zahl seiner Panzer im Herbst verdreifacht. Habe sich Russland bisher hinter "grünen Männchen" versteckt, zeige der Vorfall in der Meerenge von Kertsch, dass Moskau inzwischen nicht mehr vor einer offenen militärischen Konfrontation zurückschrecke.

Kein Telefonat

Die Ukraine "befindet sich in der Gefahr eines großen Krieges gegen Russland", sagte Poroschenko, der nach der Verhängung des Kriegsrechts auch eine Verlegung ukrainischer Truppen Richtung Grenze anordnete.

Poroschenko beklagte, dass ein Telefonat mit Putin nicht zustande gekommen sei. Der Kreml habe die Anfrage nach einem Gespräch vollkommen ignoriert. Er habe daher die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel darum gebeten, seine Forderung nach Freilassung der Seeleute an Moskau zu übermitteln.

Russische Medien berichten derweil, dass die Ukraine Gespräche mit den USA über die Einrichtung einer Militärbasis im Land aufgenommen hätten. Diese könnte im Osten der Ukraine aufgebaut werden, spekulierten bereits erste Militärexperten.

Langfristige Nato-Pläne

Iwan Winnik, ukrainischer Abgeordneter des Poroschenko-Blocks, bestätigte zumindest entsprechende Konsultationen. Diese seien Teil der beabsichtigten Integration in die Nato. Laut Winnik geht es allerdings um langfristige Pläne. Eine Militärbasis könne erst dann aufgebaut werden, wenn die Ukraine tatsächlich der Nato beitrete. Ohne Beitritt sei "das kaum möglich", schränkte der Kiewer Parlamentarier ein.

Die russische Führung hat Vorwürfe einer Truppenkonzentration an der Grenze derweil zurückgewiesen. Alexej Puschkow, Außenpolitikexperte im Föderationsrat, sprach von einer "alten Leier". Poroschenko versuche, alles herauszuholen aus "seiner eigenen Provokation". Während es für die von Poroschenko genannte Verdreifachung der russischen Panzerzahl keine unabhängige Bestätigung gibt, sind Berichte über eine Aufstockung der russischen Luftabwehr auf der Krim und der Marine im Asowschen Meer vorhanden.

Moskau hofft auf Trump

Trotzdem ist die russische Führung optimistisch, dass die jüngste Eskalation im russisch-ukrainischen Konflikt keine Auswirkungen auf das geplante Treffen zwischen Putin und US-Präsident Donald Trump beim G20-Gipfel in Buenos Aires haben wird. Trump hatte zwar gesagt, dass er ein Treffen vom Bericht des nationalen Sicherheitsrats über den Vorfall vor der Krim abhängig mache und er das Gespräch auch ausfallen lassen könne, weil ihm "so eine Aggressivität nicht gefällt". Bisher hat das Weiße Haus jedoch das Treffen offiziell nicht abgesagt.

Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, Moskau sei über eine eventuelle Absage nicht informiert worden und bereite sich daher weiterhin auf das Gespräch vor. Pessimistischer hingegen ist Moskau bezüglich der Sanktionen gestimmt. Der Chef des Rechnungshofs, Alexej Kudrin, warnte vor einer Verschärfung der Sanktionen. Diese würden die technologische Rückständigkeit Russlands weiter erhöhen. Schon jetzt kosteten die Sanktionen Russland seinen Berechnungen nach 0,5 Prozent Wachstum. (André Ballin aus Moskau, 28.11.2018)