Deception Island wird seinem Namen gerecht: Das kühle Idyll ist trügerisch – darunter brodelt es.
Foto: Antonio Álvarez-Valero

Quebec – In den 1960er Jahren vor unserer Zeitrechnung wären die Nachrichtenkanäle wahrscheinlich voller Lobeshymnen auf die geglückte Zepterübergabe von Pharao Amenemhet I. an seinen Sohn Sesostris I. gewesen, die Blütezeit der ägyptischen Kultur setzte sich fort. Korrespondenten hätten berichtet, dass die Minoer auf Kreta mit der Idee zu liebäugeln begannen, sie könnten doch auch einen großen Palast bauen. Und gewohnt deprimierend wären die Berichte um das anhaltende Gerangel im Zweistromland gewesen, wo vor einigen Jahrzehnten das sumerische Reich wieder in rivalisierende Stadtstaaten zerfallen war.

Mangels Langstreckenverbindungen unbemerkt geblieben wären hingegen zwei epochale Ereignisse an den eisigen Enden der Welt: Auf der arktischen Wrangel-Insel war gerade das letzte Wollhaarmammut der Welt gestorben – und die Antarktis wurde von einem gewaltigen Vulkanausbruch erschüttert, der sich auf die ganze Südhalbkugel ausgewirkt haben dürfte.

Insel als Erbe eines Vulkans

Spuren dieses Ereignisses hat nun ein internationales Forscherteam um Dermit Antoniades von der Université Laval entdeckt. Fundort war Deception Island, eine zu den Südlichen Shetlandinseln zählende Insel in der Form eines Hufeisens, bei der es sich genau genommen um die Caldera eines immer noch aktiven Vulkans handelt. In den vergangenen 200 Jahren ist er über 20 Mal ausgebrochen, hat die dortigen Forschungsstationen verwüstet und die Pinguinpopulation der Insel mehrfach dezimiert.

All diese Ausbrüche waren aber nur Randerscheinungen im Vergleich zu der Eruption, die die Caldera geschaffen hat. Laut Antoniades dürfte es sich um die größte Eruption eines antarktischen Vulkans im gesamten Holozän – also der Epoche seit dem Abklingen der letzten Kaltzeit – gehandelt haben.

Neudatierung

Früher hatte man gedacht, dass dieses Ereignis vor etwa 8.300 Jahren stattfand. Eine Neuuntersuchung kam nun jedoch auf ein wesentlich jüngeres Datum: Sedimentkerne würden zeigen, dass es vor 3.980 Jahren stattgefunden habe, berichten die Forscher in "Scientific Reports". Das ist freilich ein Mittelwert – die Schwankungsbreite beträgt plus minus 125 Jahre.

Die im Rahmen des HOLOANTAR-Projekts in den Jahren 2012 bis 2014 gewonnenen Proben würden ein eindeutiges Muster zeigen: Über einer Schicht aus vulkanischer Asche lagerte sich eine über einen Meter dicke Schicht aus Material an, das laut den Forschern in Folge von Erdbeben ins Wasser gesunken sein muss. Darüber dann fand sich "normales" organisches Sediment aus Zeiten ohne größere Erschütterungen.

Ereignis der Stufe VEI 6 oder 7

Die Dicke der auf den Vulkanausbruch und seine Folgen zurückführbaren Schichten sowie die Größe der Caldera nutzten die Forscher, um die Gesamtmaterialmenge hochzurechnen, die bei der Eruption aus dem Vulkan geschleudert worden sein muss. Sie kamen auf einen Wert von 30 bis 60 Kubikkilometer – im sogenannten Vulkanexplosivitätsindex wäre das ein Ereignis der Stufe VEI 6 oder gar 7 gewesen. Das wäre in derselben Liga wie der Ausbruch des Krakatau 1883 oder gar des Tambora 1815.

Der Tambora-Ausbruch führte zu einer nahezu auf der gesamten Nordhalbkugel spürbaren vorübergehenden Abkühlung; 1816 war das berühmte "Jahr ohne Sommer". Antoniades' Koautorin Adelina Geyer hält es für gut möglich, dass die Eruption von Deception Island vergleichbare Auswirkungen auf die Südhalbkugel hatte. Leider gibt es dazu keine vergleichbaren historischen Dokumente – die Forscher wollen daher nach alternativen Datenquellen suchen, um zu sehen, ob der Ausbruch tatsächlich das südliche Klima beeinflusste. (jdo, 2. 12. 2018)