Peter Cornelius ist einer der erfolgreichsten Vertreter des Austropop – gerade auch in Deutschland. Hierzulande hat er zuletzt mit Wortmeldungen mehr Aufmerksamkeit erzeugt als mit seiner Kunst.

reif für die insel / warner

77 Gitarren soll er haben. Zumindest war das die Zahl, die er vor ein paar Jahren als Gast von Willkommen Österreich bestätigte. Das deutet auf eine gewisse Obsession hin, und das ist nicht der schlechteste Treibstoff für Künstler. Peter Cornelius ist einer der erfolgreichsten Singer-Songwriter der heimischen Popmusik, den Begriff Liedermacher mag er nicht.

Der im Jänner 1951 in Wien geborene Musiker hatte sein Erweckungserlebnis über die Musik der 1960er. Die Beatles, die Stones, die Kinks – alles, was da plötzlich verstärkt aus dem Radio drang und das Fenster von Cornelius' Fantasie zur Welt hin weit aufriss, und ihn ein Elternhaus vergessen ließ, in dem Bitterkeit und Hass geherrscht haben sollen. Es folgte die erste Gitarre, die Berufung machte sich bemerkbar.

Rolli im Sommer

Den Eltern zuliebe widmete er sich zuvor zwar dem Beruf, doch dass er tatsächlich ein Leben als Bankkaufmann führen würde, schloss er für sich bald aus. Sogar im Sommer soll er Rollkragenpullover getragen haben, nur um der sonst drohenden Krawattenpflicht in der Filiale zu entgehen.

Es folgte die erste Band, The Black Sheep, später The Leaves – und Anfang der 1970er nahm die Karriere des gelockten Musikers zusehends Fahrt auf. Apropos gelockt: Ende der 1960er atmete Cornelius bereits Showluft. In Wien wurde er für Haare gecastet – kein Wunder angesichts seiner Locken. Haare hieß die deutsche Version des Musicals Hair. Cornelius war für die Show einige Monate in Deutschland unterwegs. Als er zurückkam, war er so fertig, dass er aufgrund einer Tuberkulose-Erkrankung ein halbes Jahr im Krankenhaus verbringen musste.

Ein früher Cornelius. Mit den Leaves vor dem Riesenrad: Sing mein Lied.
hamrecords

1973 machte er bei der ORF-Sendung Show Chance mit und gewann dort mit dem Song Die Wolk'n. Das Lied lässt sich heute bestens auf das Phänomen der Blasen in den sozialen Medien anwenden. Es folgte ein erstes Album, das mit Hampelmann einen zweiten frühen Erfolg aufwies. Doch Cornelius war nicht happy.

Ein erster von vielen Hits: Die Wolk'n mit der ORF-Big-Band im Rücken.
sparkle sparkelchen

Vertraglich war diese Produktion an den ORF gebunden, und so klang das Album auch. Die ORF-Big-Band im Rücken, nahm er ein Dutzend Songs auf, die wenig mit Lennon oder Hendrix zu tun hatten. Sogar auf dem Cover wirkte er im Samtanzug mit Fliege eher so, als würde er als Heinz-Conrads-Nachfolger in Stellung gebracht werden.

Ab nach Deutschland!

Suboptimal, das war klar, doch Cornelius wusste, dass das trotzdem eine Chance war, die ihm nicht jeden Tag geboten werden würde. 1975 erschien die Single Flipper. Die hatte schon mehr mit englischem Pop zu tun als der öffentlich-rechtliche Big-Band-Sound. Gut, aber noch nicht gut genug. Cornelius ging nach Deutschland.

"Immer g'rollt werden, des is bitter" – Peter Cornelius mit Flipper.
dearmond elf

Er versuchte seine Karriere proaktiv voranzutreiben. "Weltberühmt in Österreich" war nicht das Ziel. Das unterschied ihn von den meisten seiner Zeitgenossen, die den deutschen Markt entweder gar nicht anvisierten oder ihn erst bedienten, nachdem der irgendwie auf sie aufmerksam geworden war.

Grammy-Nominierung

Cornelius ging nach Hamburg zu Phonogram und traf dort auf den jungen Produzenten Michael Cretu. Der deutsch-rumänische Produzent bleibt bis heute lieber im Hintergrund, wiewohl er mit seiner späteren Frau Sandra ((I'll Never Be) Maria Magdalena, 1985) und mit dem Projekt Enigma Abermillionen Platten verkauft hat.

Bei Enigma spielte Cornelius Anfang der 1990er die eine oder andere seiner 77 Gitarren, das schlug sich in einer Nominierung für eine Grammy nieder. Das passiert österreichischen Musikern auch nicht alle Tage.

I kenn di!

Cornelius und Cretu erwiesen sich als Erfolgsgespann. 1980 erschien das von Cretu produzierte Album Zwei. Das erste Lied auf der zweiten Seite heißt Du entschuldige – I kenn' di und wurde zu einem der größten Hits seiner Zeit im deutschsprachigen Raum. Eine charmante Alltagsgeschichte von immenser Wirkung und heute ein Klassiker des Austropop.

Klassiker des Austropop und ein Pflichteintrag in jeder Espresso-Jukebox: Du entschuldige – I kenn di.
fritz51250

Noch im selben Jahr folgte das Album Der Kaffee ist fertig, im Jahr darauf veröffentlichte er Reif für die Insel. Seine Hits, die Alben wie die Singles, hielten sich wochen- und monatelang in den Charts. Deutschland liebte ihn, Österreich sowieso. Die Zeile "Reif für die Insel" ging in die Alltagssprache ein, ein untrügliches Zeichen, dass Cornelius einen Nerv getroffen hatte.

Die Hymne aller Burnouter: Reif für die Insel.
Heroes Of The 80s

Folgewerke wie Fata Morgana oder Süchtig nisteten sich ebenfalls als Dauergäste in den Charts ein. Cornelius tourte, schrieb, produzierte, war ein Star.

Der Blues

Cornelius ist der König des Espresso-Pop. Ihm gelangen damals schlagereske Ohrwürmer, die bei Auftritten auf großen Bühnen von tausenden Kehlen im Publikum mitgetragen wurden und werden. Er war der in Deutschland erfolgreichste Austropopper – trotz diverser in der Musikbranche üblichen Widrigkeiten, zu denen sich gesundheitliche gesellten. Der Blues ereilte den Musiker in Form von Burnout und Depressionen.

1985 ein Hit: Segel im Wind.
Christian J Täubl

Mitte der 1980er pendelte er zwischen München und Wien. In München teilte er sich mit Cretu ein Doppelhaus, am Wiener Karlsplatz gönnte er sich ein eigenes Lokal, die Insel. Ende der 1980er kehrte er ganz nach Wien zurück, 1990 spielte er auf Georg Danzers Album Wieder in Wien – auch für Cornelius ein passender Titel. Bis in die 1990er hinein arbeitete er mehr oder weniger ununterbrochen, dann nahm er sich eine Auszeit, die bis 2001 dauerte.

Neues Lebenszeichen

Mit dem Album Lebenszeichen meldete er sich zurück. Wie so oft waren die Texte darauf besser als die Musik, die klingt nicht selten etwas anämisch, vor allem wenn der Synthesizer Einsatz findet. Die Ergebnisse sind dann eben nicht viel mehr als höhere Schlager.

Ein Lebenszeichen nach vielen Jahren: Du gibst nie wieder auf (2001).
VHSGoldie

Seit damals veröffentlicht er alle paar Jahre Alben. Er hat New York als inspirierendes Pflaster entdeckt, dort nahm er sein letztes Album auf. Geht er auf Tour, füllt er immer noch mittlere bis große Hallen. In der Branche gilt er als schwierig. Aber so einen Zuschreibung handelt man sich bald einmal ein, wenn man nicht regelmäßig aus den Seitenblicken winkt.

Applaus aus dem rechtsradikalen Eck

Zuletzt erregte er aber nicht mit seiner Musik Aufmerksamkeit. In einem Interview mit der Kronen Zeitung verwendete er die "Umvolkungs"-Diktion – "Jetzt kommen dann noch Zustände, dass wir in Europa eigentlich umgevolkt werden sollten" – was ihm prompt Zuspruch aus der rechtsextremen Ecke einbrachte. Unzensuriert.at umarmte ihn ebenso wie die Identitären, die er dafür erfolgreich klagte.

Was würde Lennon sagen?

Zudem gab er dem Magazin Alles Roger? ein Interview. (Zitat: "Wir haben ein Meinungsdiktat und kollektives Verbot, sich über die Dinge zu äußern.") Das Heft wird von Ronnie Seunig herausgegeben. Der ist Vorsitzender der Falco-Privatstiftung und Inhaber des Konsum- und Vergnügungstempels Excalibur City an der österreichisch-tschechischen Grenze. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes stuft sein Magazin als verschwörungstheoretisch und antisemitisch ein.

Wie sich das mit der Schule der Beatles und der Stones oder der Haltung eines Georg Danzers vereinbaren lässt, wäre interessant gewesen zu erfahren. Ein Gespräch darüber hätte gleichzeitig seine Einschätzung "kollektives Verbot, sich über die Dinge zu äußern" widerlegt, aber Peter Cornelius war zu keinem Interview bereit.

Biografie der Superlative

Dafür gibt es so etwas wie eine Biografie: Reif für die Insel im Verlag Kremayr & Scheriau. Verfasst hat sie Andy Zahradnik. Das Buch ist nicht wirklich zu empfehlen. Es erzählt Cornelius' Geschichte aus der Schoßhundperspektive. Der Chronist findet sein Sujet ohne Abstriche super. 170 Seiten lang Schmeicheleien, Lobhudelei. Fremde Stimmen kommen nicht vor, da lebt jemand ganz in einer Wolk'n. Kein Wunder. Zahradnik ist mit Cornelius befreundet und für die sich vor Begeisterung überschlagenden PR-Texte auf dessen Homepage verantwortlich. (Karl Fluch, 1.12.2018)