Dass neben dem Opferstock in österreichischen Kirchen oft auch noch das eine oder andere Heiligenbildchen in Öl mitgeht, zählt seit Jahrzehnten zur Kriminalitätsfolklore. Und auch bei Wohnungseinbrüchen geht bei der Suche nach Schmuck oder Laptop so mancher Kunstgegenstand meist mehr zufällig mit. Allerdings sagt die Statistik, dass 2017 in Österreich insgesamt nur 172 Fälle konkret von Kulturdiebstahl angezeigt wurden. Deren Gesamtschaden betrug 770.000 Euro. Das ist vom finanziellen Volumen her eher für die Trödelsendung Bares für Rares geeignet, als dass es ein Fall für von den Versicherungen beauftragte Meisterdetektive wäre.

Verbrecher verüben Verbrechen, aber gepflegt müssen sie sein: Schauspieler Vincent Cassel 2013 im Kunstraubthriller "Trance – gefährliche Erinnerung".
Foto: NG Collection / Interfoto

Dass das nicht einmal spektakulär aus einem öffentlichen Museum, sondern am Montag aus dem in privater Hand befindlichen Wiener Auktionshaus Dorotheum gestohlene Landschaftsgemälde von Pierre-Auguste Renoir derzeit für ein so großes öffentliches Interesse sorgt, mag zwar verwunderlich sein. Immerhin handelt es sich dabei im Wesentlichen um nichts weiter als einen Ladendiebstahl eines mit maximal 160.000 Euro bewerteten Luxusgegenstands. Der sollte strafrechtlich wahrscheinlich auch nicht anders bewertet werden als das Fladern zum Beispiel eines Großbildfernsehers.

Allerdings wird mit dem Stichwort Fernsehen klar, warum die drei unbekannten Diebe von der Topmeldung in der Zeit im Bild 1 über das Kleinformat bis an diese Stelle so sehr im Blickpunkt stehen. Einmal mehr hat die Macht des Bildes gewonnen.

Verbrecher im Maßanzug

Die Frage, die sich stellt, lautet: Imitiert die Kunst das Leben – oder verhält es sich nicht ebenso oft umgekehrt? Geprägt wird unser Bild vom Kunstdieb und Juwelenräuber oder auch edlen Geldschrankknacker schließlich seit Jahrzehnten vom Kino und Fernsehen. Weil es sich bei Kunst ja immer um etwas unterstellt Feinsinniges handelt, wird das Bild, das wir uns vom Kunstdieb machen wollen, immer auch dadurch geprägt, dass dieser zwar eine Person sei, die außerhalb des Gesetzes agiert. Allerdings gilt er traditionell als ebenso feingeistig, distinguiert und niveauvoll wie die Objekte seiner Begierde.

Angefangen hat alles 1910 mit einer Stummfilmadaption von Arsène Lupin, einem vom französischen Autor Maurice Lebanc Anfang des 20. Jahrhunderts in 20 Romanen entworfenen Meisterdiebs und Edelmanns, der bei sich zu Hause unter anderem die Mona Lisa hängen hat.

Das Bild wurde 1911 tatsächlich aus dem Pariser Louvre gestohlen, von einem Angestellten. Er fasste dafür nur sieben Monate Gefängnis aus, weil das Gemälde erst dadurch (sowie aufgrund späterer Diebstahlversuche) von einer gewissen Randfigürlichkeit zum Hauptwerk der Kunstgeschichte aufstieg. Der Raub der Mona Lisa wurde 1931 als Komödie verfilmt.

Trailer zu "Über den Dächern von Nizza".
Anspruchsvolle Filme

Bis heute vertraut man in diversen Filmklassikern wie Über den Dächern von Nizza mit Cary Grant, Topkapi mit Maximilian Schell, Die Thomas Crown Affäre mit Pierce Brosnan oder Verlockende Falle mit Sean Connery auf gebildete, gepflegte, mit guten Manieren ausgestattete Gentlemangauner in den besten (und den darauf folgenden) Jahren. Sie kennen sich nicht nur bei den schönen Dingen des Lebens aus, sondern auch noch bei Maßanzugschneidern, Rotwein- und Champagnerjahrgängen sowie im Umgang mit weitaus jüngeren Frauen. Kaum einmal, dass so wie in Danny Boyles Kunstraubkrimi Trance – Gefährliche Erinnerung mit Vincent Cassel ein psycho pathischer Schläger auftaucht oder wie in Indiana Jones Harrison Ford den prolligen Universitätsprofessor mit Peitsche und Lederkutte gibt. Ein Kunstdieb hat gefälligst eines zu sein: nobel. Und: Bilder, das wissen wir, siegten immer schon über die Realität. (Christian Schachinger, 30.11.2018)