Wien wächst. Und die Bautätigkeit in der Bundeshauptstadt ist längst voll angelaufen: 12.000 Wohnungen wurden bzw. werden laut Zahlen des Immobiliendienstleisters CBRE heuer errichtet. Im kommenden Jahr dürfte die Bauleistung ähnlich hoch sein. 2020 werden es dann, zumindest nach heutigem Stand, mehr als 15.000 neue Wohneinheiten sein. Und während heuer und im kommenden Jahr noch Eigentums- und Vorsorgewohnungen bei den Fertigstellungen dominieren, dürfte sich der Wind ab 2020 drehen: Dann werden erstmals mehr freifinanzierte Mietwohnungen als Eigentumswohnungen gebaut.
Die Plattform Exploreal.at erhebt seit dem heurigen Frühjahr Daten für Bauträger. Auf ihrer Bauträgerdatenbank werden mehr als 1000 aktuelle Wohnbauprojekte in Wien gelistet. 665 davon sind noch nicht fertiggestellt und noch nicht vollständig verwertet. Mehr als 4200 Bauträgerwohnungen stehen laut den Erhebungen aktuell zum Verkauf. Für Eigennutzer liegt der Angebotspreis im Mittel derzeit bei 4850 Euro pro Quadratmeter. Preise, die von den Käufern durchaus auch bezahlt werden dürften: Der Unterschied zwischen tatsächlich erzieltem Kaufpreis und Angebotspreis liegt laut Exploreal bei nur 1,7 Prozent, spielt also praktisch keine Rolle.
Zu viel Neubau?
Also alles gut am Wiener Wohnimmobilienmarkt? Das kommt darauf an, wen man fragt. Matthias Grosse, Co-Geschäftsführer von Exploreal, wies jüngst beim "1. Stadtentwicklungstag" des ÖVI nämlich schon darauf hin, dass 2018 deutlich mehr Wohnungen auf den Markt kommen als neue Haushalte dazukommen. Das dürfte sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. DerNachholbedarf, den es derzeit durchaus noch gibt, werde so spätestens 2020 gedeckt sein, meint Grosse.
Das stark steigende Angebot am Immobilienmarkt bereitet manchem Bauträger heute bereits Kopfzerbrechen. Die Wohnungssuchenden wird es aber freuen, denn sie haben die Qual der Wahl. Zwar dürften die Preise weiterhin leicht steigen, fraglich ist aber, wie lange noch. Ein zunehmender Bau von Miet- statt Eigentumswohnungen, wie er sich bereits heuer abzeichnet, könnte eine erste Reaktion auf die veränderte Marktsituation sein, meinen manche. Diese Wohnungen werden dann im Bestand gehalten – und sind damit von vorübergehenden Preisentwicklungen am Immobilienmarkt nicht so abhängig.
Verkauf an Investoren
David Breitwieser, Wohnimmobilienexperte bei EHL Immobilien, macht sich allerdings noch keine Sorgen: Derzeit gebe es eine "ungebrochen gute" Nachfrage bei Wohnimmobilien; "wie es in fünf Jahren ausschaut, kann man heute natürlich nicht sagen". Was preislich in Ordnung sei, werde derzeit allerdings auch verkauft. "Aber manche Sachen, die am Markt vorbeigebaut werden, haben es schwer." Damit meint Breitwieser beispielsweise zu groß dimensionierte und daher zu teure Zwei-Zimmer-Wohnungen.
Immer öfter werden in Bau befindliche Objekte statt an einzelne Wohnungskäufer an einen großen Investor verkauft. "Da kenne ich unzählige Projekte", so Breitwieser. Dadurch erspare sich derEntwickler die Vermarktung und das Risiko, am Ende auf einigen Wohnungen sitzenzubleiben, sagt Breitwieser. Beim Großprojekt "Das Ensemble", einem Joint Venture von ARE und Premium Immobilien AG, wurden beispielsweise vor der Fertigstellung sämtliche Bauteile an vier Investoren – die Semper Constantia, die Österreichische Beamtenversicherung, Art-Invest Real Estate und Aberdeen SStandard Investments – verkauft, die die insgesamt 800 Wohnungen dann vermieten werden.
Wohnen für Anleger
Denn Wohnen ist in den letzten Jahren zu einer beliebten Anlageform für institutionelle Investoren geworden. 550 Millionen Euro wurden 2017 laut Zahlen von CBRE in Wohnimmobilien investiert, heuer waren es bisher bereits 760 Millionen Euro. Besonders deutsche Investoren sind auf den Geschmack gekommen: Auf sie entfielen 71 Prozent des im ersten Halbjahr investierten Volumens. Die Renditen geben laut CBRE-Report nach und liegen derzeit zwischen 2,5 und 4,1 Prozent. Bei Investoren sind auch Sonderwohnformen wie Studentenheime und Microliving gefragt. Viele Projekte werden angesichts der großen Nachfrage bei Investoren heute als "Forward Deals" abgewickelt, also vor Fertigstellung verkauft. Und solange diese Investoren kaufen, wird wohl auch gebaut werden. (zof, bere, 30.11.2019)
Eine Auswahl an Projekten, die 2019 fertig werden: