Es dauert nur noch wenige Tage, bis das britische Unterhaus über den vorliegenden Austrittsvertrag mit der EU abstimmen muss – und die Zeichen stehen auf Ablehnung. Für Johannes Hahn, der für die EU-Kommission das Dossier Nachbarschaftspolitik betreut, ist der Ausgang völlig offen. Sein Wunsch ist, dass nach den langen und nach seinen Worten auf britischer Seite zeitweise auch chaotisch geführten Verhandlungen nun die Vernunft siegt, und alle Seiten zu einem Konsens kommen, mit der beidseitigen Überzeugung, dass dieser die beste Lösung ist.

Krise in der Ukraine als Weckruf

Zur aktuellen Krise in der Ukraine betont er, dass es derzeit noch zu früh sei, um ein Urteil darüber zu fällen, da man nicht wisse, welche Motive welchen Stellenwert spielen. Ein Problem ist unter anderem, dass die Ukraine auch wirtschaftlich sehr stark vom Zugang zu ihren Häfen im Asowschen Meer abhängig ist. Hahn weist daher auch darauf hin, dass die jüngste Eskalation für Europa ein Zeichen sei, dass gerade in den osteuropäischen Ländern mehr in Infrastruktur investiert werden müsse. Dabei sei auch auf die größere Diversität der Wirtschaft zu achten, da in einigen dieser Länder der ganze Staat von einzelnen Monopolbetrieben abhängig sei.

Das von Hahn auch in der Vergangenheit mehrmals erwähnte Zitat zur Nachbarschaftspolitik Europas "wir exportieren Stabilität oder wir importieren Instabilität", kommt auch heute wieder zur Anwendung. Erläuternd geht er auf den Export ein, indem er erklärt, dass es sich hierbei um die Unterstützung wirtschaftlicher Förderung, gerade für die östlichen EU-Beitrittskandidaten handelt. Das existierende Wirtschaftsgefälle zwischen den östlichen und westlichen Staaten der EU ist ohnehin schon ein Problem und die EU muss aufpassen, dass diese nicht grösser werden, soll Instabilität verhindert werden. Der Export soll sich jedoch nicht nur auf den wirtschaftlichen Aspekt beschränken, sondern auch den Export von Rechtsstaatlichkeit beinhalten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Hahn sieht an der derzeitigen Ukraine-Krise Handlungsbedarf in Osteuropa.
Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Angesprochen auf die Lage auf dem Balkan spricht sich Hahn klar für eine Aussöhnung der beiden Länder Serbien und Kosovo aus, da eine Aussöhnung die Grundvoraussetzung für die regionale Zusammenarbeit sei.

Zuversichtlich zeigte er sich bei der Lösung des Namensstreites zwischen Mazedonien und Griechenland. Er gehe davon aus, dass es auf Regierungsebene im Januar zu einer Einigung kommen werde, die einen positiven Domino-Effekt in der Region bewirken könne.

Zu der Frage, welches Land es auf dem Balkan als erstes in die EU schaffen werde, betont er, dass sich das immer ändern könne. Aufgrund der aktuellen Lage geht er aber von Serbien und Montenegro aus, da bei beiden Ländern mit der EU schon verhandelt werde. Einer der wichtigsten Punkte ist es laut dem EU-Kommissar aber, eine Frist zu setzen, damit die Beitrittsverhandlungen auch ernst genommen werden. Die Herausforderung ist es, dabei den richtigen Zeitpunkt zu finden. Wenn man das Datum zu früh setzt, riskiert man, dass die Verhandlungen bis dahin nicht abgeschlossen werden können. Wenn man das Datum jedoch zu weit in die Zukunft setzt, besteht die Befürchtung, dass es nicht ernst genommen wird.

Skepsis gegenüber China

Hahn erläutert, dass die EU den Aufstieg Chinas als neue Weltmacht aufmerksam mit einer gewissen Skepsis beobachte. Für den EU-Kommissar ist China nicht nur ein Land mit Geschäftsinteressen, sondern auch mit gesellschaftlichen. Die EU müsse daher adäquate strategische Antworten auf die chinesische Außenpolitik entwickeln. Dabei soll an vorderster Stelle die Verteidigung des europäischen Lebensstils stehen. Dies stehe über der Rolle der europäischen Wirtschaft im globalen Kontext.

Für ihn ist dabei auch wichtig, dass die europäische Entscheidungsfindung schneller und klarer erfolgt, sieht er doch die Schnelligkeit als Grundvoraussetzung, um im globalen Wettbewerb Erfolg zu haben. (Heba Kamel, 30.11.2018)