Herrmann Wurm (mit Nikolaus Habjan) dischkuriert mit seiner Mutti (mit Dorothee Hartinger).

Foto: Georg Soulek

Das Werner-Schwab-Deutsch gehört seit längerem zu den weltweit im Aussterben begriffenen Kunstsprachen. Bevorzugt gesprochen wurde dieses resch, saftig, steirisch klingende Idiom auf den deutschsprachigen Bühnen in den 1990ern. Eine kurze, wilde Zeit hindurch, etwa bis zum frühen Tod des Dramatikers (1958-1994), redeten sich die Schwab-Figuren um Feuerkopf und Schmutzkragen.

Ihre Bandwurmsätze schienen gleichermaßen an der Ontologie Martin Heideggers wie am Deutsch steirischer Notariatsangestellter geschult. Sie waren gleichzeitig hoch und tief. Sie erweckten menschenähnliche Mittelstandswesen zu garantiert künstlichem Leben mit geringer Halbwertszeit.

Gerne lässt man sich zu einem Wiederhören verführen: nun auch im Wiener Akademietheater, wo Puppenspieler Nikolaus Habjan, ein Fädenzieher der Stunde, Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos inszeniert hat. Mit dieser "Radikalkomödie" eroberte Schwab nicht nur das befreundete Ausland. In ihr verdichtet sich das Volksstückhafte zum Skulpturalen und tendiert zum Überzeitlichen.

Eine wahre Schreckensmutter namens Wurm kujoniert ihren klumpfüßigen Malerbuben. Ein Stück weit daneben – wir befinden uns in einem Mietshaus – frönt eine Kleinfamilie (mit zwei mannbaren Töchtern) ihrer insgesamt recht leiblichen Auffassung von Genuss. Über allen aber thront, als einziger Mensch unter lauter Puppen, die polymorph perverse Hausbesitzerin, eine ganzseidene Dame im Wodkadunst (Barbara Petritsch).

Die Grollfeuer treibt nicht nur philosophische Dampfplauderei. Sie bringt diesen armen, albernen, von allen guten Geistern verlassenen Menschen den Gifttod. Sie schreitet hoheitsvoll über eine Doppeltreppe samt Galerie (Bühne: Jakob Brossmann). Auf ihre Limonade schmatzenden Opfer in spe schaut sie herunter. Die wortunbeholfenen Monstren sind gezwungen, in einer transparenten Plastikblase zu hausen. Und sie sind allesamt Doubles: Klappmaulhelden, die ihren menschlichen Paten gleichsam in Hüfthöhe entspringen.

Blässe des Gedankens

Auch sonst herrschen in dieser entsetzlich gedankenblassen Unternehmung die Gesetze der Zweiklassengesellschaft. Die Untermieter reißen ihre Kiefer auf. Gehalten und geführt werden sie von Habjan (als Maler Wurm), von Dorothee Hartinger, Sarah Viktoria Frick und Alexandra Henkel.

Die Stimmen sind verstellt, der Überdruck der Schwab'schen Sprache scheint aus ihnen entwichen. Schwab-Mensch, werde uneigentlich! Man wohnt einer Art Wortoratorium bei, dem der gezwungene Ernst einer Messhandlung eignet. Man ertappt sich vage bei dem Vorsatz, Schwab ab nun wieder genauer zu fokussieren. Seine "bloß reagierende Davonvogelsprache" (Frau Grollfeuer), die das Leben als Schöpfungsskandal brandmarkt, darf auf keinen Fall Kunstgewerblern überlassen werden (die mit ihr erzählerisch nichts anzufangen wissen). Schon gar nicht irgendwelchen Puppen, und seien ihre Mäuler noch so groß. (Ronald Pohl, 30.11.2018)