Frage

"Jede Woche freuen mein Mann und ich uns aufs Wochenende. Die Kinder eigentlich auch. Aber gleich am Samstag nach dem Frühstück geht es meistens los: Nach anfänglichem gemeinsamen Spielen fliegen oft gleich die Fetzen. Manchmal tun sie sich sogar weh. Die Buben (3 und 7) streiten sich, oder wenn einmal Ruhe ist, fängt garantiert wieder einer an, den anderen zu ärgern.

Eine Szene, die wohl in jeder Familie vorkommt und manche Eltern Seiten von sich selbst kennenlernen lässt, die ihnen bisher unbekannt waren.
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An manchen Wochenenden macht das so schlechte Stimmung, dass wir als Eltern auch laut werden und schimpfen. Ich bin dann immer ganz unglücklich, dass wir am Wochenende nicht glücklicher sind. Was tun? Wir bemühten uns anfangs immer, ruhig zu bleiben, aber es gelingt nicht immer."

Antwort von Katharina Weiner

Ein konflikt- und streitfreies Familienleben ist ein netter Gedanke, allerdings unmöglich. Streit unter Geschwistern kann vielerlei bedeuten: Ein Erfahren der eigenen Grenzen und jener des anderen. Rivalität, die Aufmerksamkeit der Eltern betreffend, oder Hierarchien auszuloten und zu etablieren. Wie z.B. der große Bruder, der seine Eltern lange Zeit alleine hatte und diese seit vier Jahren, im Grunde unfreiwillig, mit einem Geschwisterkind teilen muss. Keiner der Buben will Ihnen damit absichtlich das Wochenende verderben.

Auch wenn es vielleicht schwerfällt, ist es wichtig, ruhig zu bleiben und so wenig wie möglich ohne Schimpfen einzugreifen. Als Erwachsene können wir Kinder in ihren Konflikten so begleiten, dass deren Erfahrung an Lösungsstrategien erweitert wird und sie später besser miteinander klarkommen.

Setzen Sie sich mit ihren Kindern in einer ruhigen Minute zusammen, und sagen Sie ihnen in etwa Folgendes: "Uns stresst es sehr, wenn ihr ständig streitet, auch weil es uns manchmal zu brutal erscheint. Wir werden dann unruhig und laut, obwohl wir das gar nicht möchten. Wir möchten euch dabei helfen, wie ihr einen Streit regelt. Sagt uns Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht oder wir etwas falsch machen. Wir suchen dann gemeinsam eine Lösung." Seien Sie offen für Möglichkeiten, die für Ihre Familie passen! Und bleiben Sie geduldig, denn es kann durchaus mehrere Monate dauern, bis sich die Streitgewohnheiten ändern. (Katharina Weiner, 2.12.2018)

Katharina Weiner ist Familienberaterin, Coach und arbeitet als Trainerin in der Elternbildung. Die Mutter einer Tochter leitet das Jesper-Juul-Familylab in Österreich.
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Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Aber klar können Kinder die Stimmung im Haus vermiesen. Und das funktioniert so: In unserem Gehirn sitzen sogenannte Spiegelzellen, mit deren Hilfe wir unbewusst nachahmen, was wir in unserem Gegenüber wahrnehmen. Durch dieses Nachahmen versetzen wir uns unwillkürlich hinein in den anderen und nehmen dabei seine Gefühle in uns auf. Da kann es durchaus passieren, dass uns der Kragen platzt, ohne dass wir eigentlich einen ersichtlichen Grund dafür haben – weil uns ein anderer seine geballte Wut regelrecht unterjubelt. Gerade Kinder können uns auf diese Weise blitzschnell zur Weißglut bringen. Ihre Gefühle sind noch weitgehend ungefiltert, noch nicht vom Verstand kontrolliert und deshalb viel heftiger und unmittelbarer.

Es geht also bei der Wochenendsituation darum, dass wir uns unsere eigenen Gefühle eingestehen und erkennen, wie sie entstehen, um dann unseren Kindern beizubringen, wie sie mit ihren Gefühlen, vor allem mit ihrem Frust und ihrer Wut, umgehen können. Dazu gehört auch, streiten zu lernen. Auch wenn sich das für manchen vielleicht komisch anhört. Es liegt an uns, unseren Kindern das Streiten nach den Regeln, die wir vorgeben und vorleben, beizubringen. Und dazu gehört auch, dass wir Eltern klarmachen, dass uns diese Streitereien gegen den Strich gehen. Gelerntes Streiten macht nicht nur Spaß, sondern es hilft unseren Kindern auch dabei, sich später, wo nötig, durchzusetzen. Und es erlaubt ihnen, ihre eigenen Aggressionen kennenzulernen und angemessen mit ihnen umzugehen.

Bleibt noch als Tipp gegen Langeweile, die oft die Ursache von Streitereien an Wochenenden ist: die Kinder einbinden in Alltagsaufgaben, sie beim Kochen, Putzen, Einkaufen, Gärtnern mithelfen lassen. (Hans-Otto Thomashoff, 2.12.2018)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
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