150.000 Zeichnungen, eine Botschaft: Klimaschützer weisen am Schweizer Aletschgletscher auf das 1,5-Grad-Ziel hin.

Foto: APA/AFP/FABRICE COFFRINI

Die Riesenpostkarte, näher betrachtet.

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Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Generation. Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen der Klimakrise deutlich zu spüren bekommt, und die letzte, die eine Klimakatastrophe verhindern kann. Versagen wir bei der Eindämmung der Klimakrise, haben wir als politische Generation versagt.

Wir haben keinen Planeten B. Immer mehr Menschen spüren durch Hitze, Dürre oder Überschwemmungen die absolute Notwendigkeit des Klimaschutzes. Das Klimaabkommen von Paris 2015 ist eine wichtige Weggabelung. Denn darin haben die Regierungen der Welt verbindlich zugesagt, dass sie umsteuern und die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, begrenzen werden. Verantwortungsvoll zu handeln heißt, jetzt zu handeln!

Zukunftsvergessenheit

Ab 2. Dezember verhandeln fast alle Staats- und Regierungschefs im polnischen Katowice die Umsetzung der UN-Klimaziele. Die fast zweiwöchige Konferenz ist das wichtigste politische Ereignis für den Klimaschutz in diesem Jahr. Österreich, das derzeit der EU vorsitzt und daher die Verhandlungen für die Europäische Union führen wird, wird gefordert sein, eine ambitionierte europäische Position zu vertreten. Für uns als Grüne ist dabei klar: Wenn die österreichische Regierung ihre Hände weiterhin so tief in den Schoß legt wie bisher, dann verletzt sie ihre Pflicht gegenüber zukünftigen Generationen.

Österreich wie auch Deutschland standen einst gut da in Sachen Klimapolitik. Mit steilen Kurven beim Ausbau der erneuerbaren Energien haben beide gezeigt, dass Energiewende und Klimaschutz funktionieren – wenn man denn will. Doch inzwischen sind aus den beiden Musterschülern Nachzügler geworden. Das ist auf nationaler Ebene schon schlimm genug, doch dass sie mit dieser Zukunftsvergessenheit auch merklichen Einfluss auf die europäische und weltweite Klimapolitik nehmen: Das geht zu weit.

Laxer Umgang mit Klimazielen

Selbst die EU-Kommission kritisiert bereits den laxen Umgang Österreichs mit seinen Klimazielen. Denn mit den derzeit geplanten Maßnahmen dürften die Minderungsziele für Treibhausgase für 2030 um mehr als zehn Prozentpunkte verfehlt werden. Und auch in Deutschland sieht es nicht besser aus: Dass das Klimaziel für 2020 – 40 Prozent weniger CO2 gegenüber dem Jahr 1990 – nicht erreicht werden wird, hat die Bundesregierung längst eingestanden. Doch statt noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren und ambitionierte Schritte einzuleiten wie die Stilllegung der ältesten und dreckigsten Kohlekraftwerke, hat sie die Verhandlung möglicher nächster Schritte in eine Kommission ausgelagert.

Und auch in Bezug auf die selbstgesteckten Ziele für 2030 hat die deutsche Bundesregierung bislang nicht den Anschein erweckt, dass sie aus ihren Fehlern lernen will. So hat sie zwar einen Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien im Strombereich festgelegt, doch mit dem bisherigen Ausbaurahmen wird sie dieses Ziel um rund 13 Prozentpunkte verfehlen. Verantwortliche Politik sieht anders aus!

Die EU-Kommission fordert nun all jene Mitgliedstaaten, die die Ziele für 2030 voraussichtlich verfehlen werden, dazu auf, darzulegen, wie sie ihren Verpflichtungen nachkommen wollen. Gerade jetzt vor der 24. Weltklimakonferenz wäre es ein guter Moment, um eine Schippe draufzulegen beim Klimaschutz.

Gefährliche Konsequenzen

Zumal der erst kürzlich vorgelegte Sonderbericht des Weltklimarats IPCC sehr eindrücklich nachweist, dass wir bereits ab einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad mit gefährlichen Konsequenzen rechnen müssen – von einer deutlich anwachsenden Anzahl von Extremwetterereignissen über einen steigenden Meeresspiegel, abschmelzende Gletscher und schwindendes arktisches Meereis bis hin zu einem rapide zunehmenden Artenschwund und einer fast vollständigen Zerstörung von Korallen.

Das macht deutlich: Um einen globalen Klimakollaps zu verhindern, müssen die Europäische Union und andere Industrienationen ihre Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf nahe null reduzieren. Das ist eine enorme technische, wirtschaftliche, gesellschaftspolitische und auch rechtliche Herausforderung, wofür die EU in Katowice entsprechend gerüstet sein sollte.

Ratspräsidentschaft als Game-Changer

Vor diesem Hintergrund hat Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen gemeinsam mit vielen anderen europäischen Staatsoberhäuptern einen Appell an die internationale Staatengemeinschaft initiiert: Denn wenn ausgerechnet die Europäische Union mit Österreich an der Spitze meint, in Katowice mit Trippelschritten punkten zu können, dann werden die Ziele des Pariser Klimaabkommens unerreichbar bleiben. Als Vorsitzende der Grünen in Deutschland und Österreich appellieren wir daher an die Verhandlungsführerin der Europäischen Union, die österreichische Umweltministerin Elisabeth Köstinger, dem Appell Van der Bellens zu folgen.

Drei Grundsätze

Das bedeutet zum einen, dass die EU sich mit aller Kraft dafür einsetzt, dass in Katowice ein Regelbuch verabschiedet wird. In diesem muss dargelegt werden, wie das Pariser Klimaabkommen genau umzusetzen ist. Denn nur mit klaren Regeln, wie Reduktionszusagen zu vergleichen und zu messen sind, können die Staaten dieser Erde auch verlässlich und gerecht Klimaschutz betreiben.

Zum anderen bedeutet das, dass wir unser europäisches CO2-Minderungsziel für 2030 von aktuell 40 Prozent auf 55 Prozent anheben.

Und schließlich müssen gerade wir Europäerinnen und Europäer nach dem Ausfall der USA die zugesagte internationale Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 als zentrales und gemeinschaftliches Instrument für mehr Klimagerechtigkeit sicherstellen.

Die Klimakonferenz in Katowice wird zwar nicht die Symbolkraft von Paris entwickeln, aber ihr Erfolg ist nicht minder wichtig. Deshalb gilt: Packen wir’s an. Und lasst uns der Weltgemeinschaft beweisen, dass die Europäische Union es ernst meint beim Klimaschutz. (Annalena Baerbock, Werner Kogler, 30.11.2018)