Die Schwierigkeit, einen entsprechenden Partner zu finden, lässt die Frauen handeln.

Cartoon: Michael Murschetz

Im Jahr 2014 kündigten Apple und Facebook an, dass sie bereit wären, die Kosten für das Einfrieren der Eizellen ihrer weiblichen Angestellten zu finanzieren. Das hat international für herbe Kritik gesorgt. Typisch für eine neoliberale Logik – sagten damals viele, unter anderen die Gesundheitsministerin in Frankreich, die Sozialistin Marisol Touraine. Nur wenige dagegen verstanden es als Maßnahme zugunsten der sexuellen Gleichheit. Dürfen nicht Männer schon lange ihre Spermatozoiden einfrieren lassen, ohne dass Gesetzgeber oder Öffentlichkeit sich je darüber aufregen? Und eine Vaterschaft jenseits der 40 ist gang und gäbe geworden, wenn sich Männer mit einer oft jüngeren Frau wieder verheiraten.

Ethikausschuss gibt nach

Gerade im Namen der Geschlechtergleichheit will die französische Regierung unter Präsident Macron den Frauen nun das Recht gewähren, ihre Eizellen aus persönlichen Gründen einfrieren zu lassen. Das Social Egg-Freezing soll bald im Bioethikgesetz verankert werden. Wie in Österreich ist derzeit in Frankreich das Einfrieren der Ovozyten nur aus medizinischen Gründen erlaubt, zum Beispiel wenn eine krebskranke Frau eine Therapie durchmachen muss. Noch im Juni 2017 hatte das Comité consultatif national d'éthique (Beratender nationaler Ethikausschuss) das Social Egg-Freezing nicht gutgeheißen. Im September 2018 gab es grünes Licht, man möchte aber diese präventive Prozedur nicht "fördern".

Die leidenschaftliche Debatte um das Social Egg-Freezing zeigt, dass es uns viel mehr als andere Techniken der Reproduktionsmedizin damit konfrontiert, wie tiefgreifend sich unsere Gesellschaften in relativ kurzer Zeit verändert haben. Soziologische Veränderungen kollidieren mit biologischen "Gesetzen", die seit Jahrtausenden gleich geblieben sind. Dieser Widerspruch zwingt uns, die "menschliche Natur" infrage zu stellen. Gerade in einem Moment, in dem wir akuter wahrnehmen müssen, was Forscher "Anthropozän" nennen: eine neue Ära in der langen Existenz unseres Planeten, diesmal unter dem Einfluss des menschlichen Tuns.

Die weibliche Fertilität ist bis zum 25. Lebensjahr am höchsten, nimmt dann langsam ab und nach 38 viel schneller. Das durchschnittliche Alter der Erstgebärenden steigt aber zunehmend. In Frankreich war es 28 im Jahr 2010 und 24 im Jahr 1960. Derzeit nähert es sich 30 (in der Schweiz, Italien, Spanien, Südkorea und Japan sind es schon 31 Jahre). 36 Prozent der französischen Babys haben eine Mutter, die älter ist als 30, 1967 waren es nur 9,9 Prozent. Ähnliche Tendenzen sind überall in der industrialisierten Welt zu beobachten, auch in Österreich. Das bedeutet, dass manche Frauen nie das zweite oder dritte Kind haben werden, das sie sich am Anfang ihres Erwachsenenlebens gewünscht hätten. Die biologische Uhr tickt.

Die Reproduktionsmedizin hat sich dieser neuen Wirklichkeit gestellt, indem sie Frauen ein präventives Einfrieren ihrer Eizellen ermöglicht. Dafür müssen sie aus eigener Tasche bis zu 5000 Euro in den Ländern zahlen, in denen es schon legal ist (Großbritannien, Spanien oder Belgien) – Konservierungskosten nicht inkludiert. Dabei sind die Ärzte einer Meinung: Es ist besser, diese Entscheidung mit 25 statt mit 35 Jahren zu treffen, weil die Zellen noch von guter Qualität sind und sich die Chancen einer künstlich erzeugten Schwangerschaft dadurch deutlich erhöhen.

Künstliche Befruchtung

In Frankreich (wie in Österreich) hat jede Frau ein Recht auf vier Versuche künstlicher Befruchtung auf Kosten der Krankenversicherung. Wäre es nicht rationeller – ganz abgesehen vom physischen und mentalen Druck, der mit diesen Prozeduren verbunden ist -, der Patientin die Chance eines Erfolges schon beim ersten Versuch zu bieten?

Das ist auch der Sinn des Gesetzesentwurfes in Frankreich, wo man am unentgeltlichen Zugang zu medizinischer Betreuung besonders hängt. Dem Jesuiten und Bioethiker Patrick Verspieren zufolge gäbe es die Sorge, man könnte damit "eine Tendenz (zur späten Mutterschaft, Anm.) befördern, die man bereits bereut". Die katholische Kirche hat Vorbehalte, ist allerdings nicht grundsätzlich dagegen, zumal diese Technik die Geburt von Wunschkindern begünstigen würde.

Andere Experten wie René Frydman, ein Pionier der künstlichen Befruchtung in Frankreich, unterstreichen, dass die späte Mutterschaft weniger auf das Vorhandensein medizinischer Techniken, sondern vielmehr auf die "Entwicklung der Rolle der Frau in der Gesellschaft" zurückzuführen ist. Frauen studieren länger und sind vermehrt auf ihre finanzielle Unabhängigkeit bedacht, letztlich ein Garant des Wohles zukünftiger Kinder. Vor allem haben sie höhere Erwartungen, was den zukünftigen Vater betrifft: Sie suchen nicht einen "Erzeuger", sondern einen verantwortungsvollen Partner, der bereit ist, sich um den Nachwuchs zu kümmern.

Es ist die Schwierigkeit, den entsprechenden Partner zu finden, und nicht Karriereambitionen oder Druck seitens des Arbeitgebers, die eine zunehmende Zahl von Frauen dazu bringt, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Das geht aus kürzlich erschienenen Studien in Ländern hervor, in denen die Prozedur zugelassen wurde. Die britische Soziologin Kylie Baldwin hat diese Problematik auf der Website "The Conversation" ("Why women choose to freeze their eggs", 25. April 2018) zusammengefasst.

Egalitäre Familiensicht

Das Social Egg-Freezing ist daher Produkt einer egalitären und demokratischen Sicht der Familie, in der Frauen nicht mehr beherrscht werden wollen, sondern einen Partner suchen, mit dem sie Freud und Leid teilen können. Diese positive Entwicklung darf aber nicht über eine immer größer werdende Kluft hinwegtäuschen: zwischen den Frauen, die das Glück haben, länger zu studieren, gut bezahlten und oft interessanten Beschäftigungen nachzugehen, und allen anderen, denen diese Möglichkeiten versperrt sind. In den USA zeichnen sich immer deutlicher zwei Kategorien ab: späte Mütter, für die Kinder nur eine von vielen schönen Seiten des Lebens sind, und diejenigen, die früh Mütter werden, mit prekären Arbeitsverhältnissen kämpfen und für die Kinder die wichtigste, sogar einzige Freude im sonst eher tristen Leben sind.

Radikaler Bruch

Über Jahrtausende hinweg hatten Frauen, ungeachtet enormer sozialer Unterschiede, letztlich ein ähnliches Schicksal. Die Tochter eines Königs (wie noch in England um 1820) konnte ebenso wie eine Bäuerin im Kindbett sterben. Das ist lange nicht mehr der Fall, und es geht hier nicht um die Rückkehr zu einer idealisierten Vergangenheit. Aber wir tun uns schwer, die Tragweite dieser Revolution abzuschätzen. Jenseits des Social Egg-Freezing muss man sich die Frage stellen, was ein derart radikaler Bruch für die Zukunft unserer postindustriellen Gesellschaft bedeutet. (Joëlle Stolz, 30.11.2018)