Eric Schmidt (links) mit Digitalministerin Margarete Schramböck (ÖVP)

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"Europa als globaler Innovation Leader – Traum oder mögliche Realität?": Darum ist es bei einem Digitalisierungsgipfel der WU Wien gegangen, der von "ThinkAustria", dem Thinktank im Bundeskanzleramt, mitveranstaltet wurde. Kanzler Sebastian Kurz und Eric Schmidt, Aufsichtsrat bei der Google-Mutter Alphabet und Ex-Google-CEO sprachen über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Europa.

"Wenn ich als Amerikaner Europa anschaue, dann ist es stolz, aber es bewegt sich zu langsam in einigen Bereichen", sagte Schmidt. Es brauche viel mehr Software-Entwickler, denn diese würden die Zukunft entwickeln. Die Universitäten hätten sehr gute Abgänger, aber am System hake es, kritisierte der Manager.

Seine Lösung habe zwei Ansätze: Freies Unternehmertum und Künstliche Intelligenz. Entrepreneure müssten bereit sein, Risiken einzugehen. "Viele europäische Länder sind aber sehr risikoavers", so Schmidt. "Scheitern gehört dazu. Wir stellen viele Leute ein, die sind schon pleite gegangen mit ihren Firmen. Wir sagen: Daraus müssen sie etwas gelernt haben." Für das Unternehmertum und die Gesellschaft sei die Freiheit ein grundlegende Notwendigkeit.

Plädoyer für Migration

"Entrepreneure kommen nicht nur von Universitäten. Sie kommen von überall her, oft nicht aus privilegierten Familien, sind Waisen, sind Immigranten", betonte der Google-Mann. "Man braucht sie, weil sie etwas starten." Regierungen könnten, wie im Fall von Google, Programme auflegen, um mutige, kreative Unternehmen zu unterstützen.

Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz wiederum gehörten ebenso im Sinne eines nachhaltigen Wachstums genutzt – aber auch im Sinne der Sicherheit, sprach Schmidt das automatisierte Fahren an. Hier gehe es um viele Bereiche wie etwa Transport, Medizin, Mathematik, chemische Industrie und mehr. Künstliche Intelligenz könnte auch als Coach dabei helfen, Schüler durch die schwierigen Mathematikschuljahre zu bringen, dachte Schmidt an. Das könne auch bei bildungsfernen Familien sehr helfen unddas gelte auch für Sprache und Kultur schon im früheren Alter.

Als Schmidt die "relativ offenen Grenzen" Österreichs ansprach, gab es unter den zuhörenden Studierenden teilweise Verwunderung. Man solle sich freuen, wenn Menschen hierher kämen, weil Österreich so ein großartiger Platz sei, so der Google-Vertreter.

Österreich hat "viele Chancen"

Jedenfalls habe Österreich aus seiner Geschichte heraus viele Chancen, betonte Schmidt und sprach hier das Zusammenarbeiten mit den Nachbarländern an. "Aber es braucht Änderungen im Bildungssystem, mehr Risikofreudigkeit und es müssen höhere Ziele gesteckt werden", empfahl der Manager. "Schaut nach Ungarn, schaut nach Singapur", nannte er kleine Länder mit einem enormen digitalen Gewicht.

Europa sei nicht mehr so sehr "Innovationleader", wie es schon einmal der Fall war, bedauerte Kurz (ÖVP). Aufgrund der Entwicklung der vergangenen Jahre müsse man zugegeben, dass Europa zurückgefallen sei. "Die gute Nachricht ist, es muss nicht so bleiben." Die Voraussetzungen für mehr Innovationen seien gegeben, sprach der Politiker "Friede, Freiheit und relativen Wohlstand an".

Auch wenn der liberale Rechtsstaat immer wieder in Frage gestellt werde, weil Entscheidungen wo anders womöglich schneller fallen würden, "ist nur im liberalen Rechtsstaat das Grundrecht jedes Einzelnen gesichert", betonte Kurz. Hier sei auch Eigentum geschützt und es gebe keine Gefahr eines Alleinherrschers. "Das sind die besten Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung und Innovationen", sagte der Bundeskanzler. Die Bundesregierung arbeite daran, die Rahmenbedingungen zu verbessern, rührte Kurz noch die Werbetrommel für einige Vorhaben der Regierung wie die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte.

"Über den Tellerrand zu denken"

Antonella Mei-Pochtler von der Boston Consulting Group, die Leiterin von ThinkAustria, sagte, dass die heutige Veranstaltung die erste des Thinktanks ist. Es gehe darum, "über den Tellerrand zu denken". "Wenn es uns nicht gäbe, gebe es auch diese Veranstaltung nicht", bedankte sie sich bei Kurz, der die Denkfabrik eingerichtet hat.

Die von Kurz bei seinem Amtsantritt installierte Stabsstelle für "Strategie, Analyse und Planung" im Kanzleramt nahm vor zwei Wochen ihre Arbeit auf. Laut Kanzleramt soll sich die Stabsstelle strategischen Themen widmen, die für die Entwicklung Österreichs wichtig sind. Je früher die Regierung globale Trends und Entwicklungen erkennt, desto eher könne die Politik strategisch auf längerfristige Veränderungen reagieren.

Vor den Auftritten von Kurz und Schmidt auf der Wirtschaftsuniverstität gab es ein Arbeitsmittagessen der beiden mit verschiedenen Untenrehmenschefs. Teilgenommen haben, wie ein Kurz-Sprecher mitteilte, Wirecard-Chef Markus Braun, A1-Chef Thomas Arnoldner, Google-Österreich-Chefin Kroeber-Riel, der Genetiker Josef Penninger, der Geschäftsführer der Sendergruppe ProSieben/Sat1/Puls 4-Österreich Markus Breitenecker, Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck(ÖVP) und Mei-Pochtler.

Am späten Nachmittag traf Eric Schmidt mit Startup-Gründern zusammen. Er hatte einige Tipps parat: So sollen sie massiv auf Software setzen, denn nur damit kann man gegen die Konkurrenz in China und Indien bestehen. Auch in einem kleinen Land.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sieht "das auch so", wie sie sagte. Sie betonte auch, dass man daran arbeite Wünsche von Gründern umzusetzen. Etwa die Bürokratie einzudämmen. Auch wurde bereits einige Sxhritte gesetzt, etwa die Arbeitszeit flexibelisiert. (sum, APA, 30.11.2018)