In dem kleinen Tschocherl an der B7 steht kalter Rauch in der Luft. Der einzige Raum ist bereits für die anstehenden Feiertage mit roten Girlanden dekoriert, in der Ecke steht sogar ein kleiner Plastikchristbaum, an dem bunte Kugeln baumeln. Die Öffnungszeiten an der Eingangstür sind hier zweisprachig angeschrieben, und das Handynetz wechselt zwischen Tschechien und Österreich.

Im Kaffeehaus gegenüber der Asylunterkunft spricht man nicht gerne über die Flüchtlinge. Schließlich will man nichts Falsches sagen.
Foto: Christian Fischer

An der Bar mit Blick auf ein Bild der Wiener Karlskirche sitzen wie aufgefädelt vier grauhaarige Männer, trinken Kaffee oder Weißen Spritzer und scherzen über "das kleine Alcatraz" gegenüber. Denn so wurde in den vergangenen Tagen das neue Asylquartier für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen im niederösterreichischen Bezirk Mistelbach in Medienberichten öfter bezeichnet. "Wir bekommen nicht viel von ihnen mit, die dürfen ja nicht raus", erzählt einer der Männer. Mehr will man eigentlich gar nicht zu dem Thema erzählen, "dann kann man nämlich auch nix Falsches sagen", betonen sie lachend. "Aber ich wohne auch vier Kilometer entfernt, mir ist das egal."

Betonklotz sorgt für Aufregung

Das Quartier, das vom niederösterreichischen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) initiiert wurde, sorgte in den vergangenen Tagen für Aufregung. Der graue Betonklotz, der früher als Grenzposten fungierte, liegt in der Einöde einige Kilometer außerhalb der Ortschaft Drasenhofen, die rund 550 Einwohner zählt. An der viel befahrenen Bundesstraße, eine Spuckweite von Tschechien entfernt, gibt es in der Umgebung nicht besonders viel.

Hinter dem Heim erstrecken sich Felder.
Foto: Christian Fischer

Direkter Nachbar des Quartiers ist eine Polizeistation, ansonsten finden sich hier kleine Geschäfte, die Snacks und Autobahnvignetten für die Weiterfahrt in beide Richtungen verkaufen. Hinter dem einstöckigen Gebäude, in dem die jungen Asylwerber leben, ziehen sich Äcker und Wiesen bis zum Horizont. Durch die seitlichen Fenster sieht man entweder die Häuser des Grenzorts Drasenhofen oder die Kirche des tschechischen Pendants Mikulov.

"Auffällige" Flüchtlinge

Erst am Montag hatten 14 "auffällige" Flüchtlinge das Quartier bezogen, berichtete Waldhäusl am Donnerstag. "Notorische und potenzielle Unruhestifter" seien unter den Unbegleiteten, "die schon in anderen Unterkünften Mitbewohnern und Betreuern das Leben schwergemacht haben", so der Landesrat für Tierschutz, Gemeindeärzte, Asyl und Mindestsicherung. Freitagnachmittag kündigte Jugendhilfelandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) an, dass die Teenager wegen eines Berichts der Kinder- und Jugendanwaltschaft, schnellstmöglich übersiedelt werden.

Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehört auch der Stacheldraht am Zaun.
Foto: Christian Fischer

An der Vorderseite des Quartiers steht ein unbefestigter Zaun, wie er auch Baustellen schützt, an dessen Oberseite ist ein Stacheldraht gespannt. "Damit sie nicht einfach drüberklettern können", kommentieren die Männer im Café. Dass die Teenager nur in Security-Begleitung das Quartier verlassen können, glaubt man hier nicht ganz: "Dürfen und können sind zwei ganz verschiedene Sachen." Waldhäusl erklärte hingegen dem STANDARD, der Stacheldraht sei "zum Schutz der Bewohner". Es bestehe die Gefahr, "dass wer eindringen und über den Zaun klettern will" – von außen, "weil von innen braucht niemand hinüberklettern, die haben eine Tür".

Bewachter Eingang

Den Eingang bewachen Security-Männer. Sie achten nicht nur darauf, dass keiner einfach rausgeht, sondern auch, dass niemand zu nahe kommt. "Privatgrundstück, betreten verboten", steht auf gelben Schildern, die an dem Zaun angebracht sind. Auch den zur Unterkunft gehörigen Parkplatz muss man meiden. "Ich gehe auch nicht einfach bei Ihnen in die Wohnung rein", ruft einer der Männer über den Zaun.

Security-Männer bewachen den Eingang, damit niemand raus- oder reinkommt.
Foto: Christian Fischer

Eine Möglichkeit, das Quartier zu besichtigen oder mit Mitarbeitern zu sprechen, gebe es derzeit nicht, teilt eine Sprecherin Waldhäusls auf Anfrage des STANDARD mit. Die Flüchtlinge seien gerade erst eingezogen, man solle sie ankommen lassen.

Die Flüchtlinge werden nun verlegt.
ORF

Unglücklicher Bürgermeister

Der Bürgermeister von Drasenhofen, Reinhard Künzl (ÖVP), bezeichnet sich im STANDARD-Gespräch als "Zuseher", er habe keinen Einfluss, sei aber "sehr unglücklich" mit der Situation. "Wir ersticken im Verkehr, und jetzt sind wir noch mit so etwas in den Medien." Dass das Quartier von einem Stacheldrahtzaun umgeben ist, sei "nicht in Ordnung". Es sei zudem "nicht schön, wenn man über die Grenze kommt, und das ist das Erste, was man bei uns sieht". Doch verstehe er die Ängste der Bevölkerung und diese seien auch berechtigt, befindet er. "Es wird vermittelt, dass das Schwerverbrecher sind, aber das sind sie nicht, sonst wären sie in einem Gefängnis", so Künzl. Eingesperrt sei aber niemand, denn: "Das Türl ist offen, man kann halt nicht einfach raus."

In Drasenhofen ist man "sehr unglücklich" über das Heim.
Foto: Christian Fischer

Künzl hat bereits einen Termin mit Waldhäusl ausgemacht. Er will das Quartier loswerden. Es soll "irgendwo anders hin". Dabei hat man in Drasenhofen Erfahrung mit Asylwerbern. Nach den Flüchtlingsankünften 2015/2016 habe man in demselben Haus – ohne strenge Sicherheitsvorkehrungen – rund 60 Personen untergebracht, vor allem Familien. "Da hat es nie was gegeben", erzählt er. (Oona Kroisleitner, 30.11.2018)