Muskelkraft wie in Ruth Kaasereres Dokumentarfilm "Gwendolyn" ist zuwenig: Wer Filme stemmen will, braucht dafür ausreichend Geld. Frauen erhalten in Österreich deutlich weniger Filmförderung als Männer.

Foto: Stadtkino

Sudabeh Mortezais Sozialdrama "Joy" wurde bei der Viennale bester österreichischer Film.

Filmladen Filmverleih

Auch Sara Fattahis Drama "Chaos" bekam einen Preis der Viennale.

Little Magnet Films

Mit neu ins Leben gerufenen Filmpreisen geht das alte Kinojahr zu Ende. Wenn morgen, Dienstag, abends im Wiener Künstlerhaus zum ersten Mal vier heimische Filmschaffende für ihre Arbeit prämiert werden, handelt es sich dabei allerdings ausschließlich um Frauen. Denn vergeben werden die Auszeichnungen – mithilfe von Sponsoren- und Spendengeldern – vom FC Gloria.

Dass Filmemacherinnen mit Preisen bedacht werden, ist häufiger der Fall, als man annehmen könnte – zumindest auf österreichischen Festivals. Das zeigte sich auch kürzlich bei der Preisverleihung der Viennale, die statistisch betrachtet so völlig in Ordnung ging: Als bester österreichischer Film wurde Sudabeh Mortezais Sozialdrama Joy prämiert, eine weitere Auszeichnung wurde Sara Fattahis Drama Chaos zugesprochen, in dem die seit einigen Jahren in Wien lebende Filmemacherin von traumatischen Erfahrungen von Vertriebenen und Geflüchteten erzählt.

Filme von Frauen öfter prämiert

Statistisch betrachtet deshalb, weil in Österreich Festivalfilme von Regisseurinnen im Verhältnis zu ihrer Programmierung – sprich Präsenz – öfter prämiert werden als jene der Kollegen. Sowohl von Jurys als auch vom Publikum. Allerdings hat die Sache wenig überraschend mehrere Haken.

Erstmals als Ergebnis festgehalten wurde dieser Umstand in dem im Frühsommer veröffentlichten "Film Gender Report", der die Jahre 2012 bis 2016 berücksichtigt. Blättert man darin allerdings nur eine Seite weiter (oder gerne auch zurück), sprechen die Zahlen schon eine andere – und zwar bekanntere – Sprache: Preisgelder, Lehrstühle und die für die Produktion entscheidenden Stabsstellen der Branche sind männlich dominiert, nahezu gänzlich sogar der geförderte österreichische Kinoverleih. Frauen erhielten im Beobachtungszeitraum nur ein Viertel der vergebenen Mittel. Das Österreichische Filminstitut, größter Fördergeber des Landes, hat mit einem Maßnahmenkatalog ebenso reagiert wie mit einem "Gender-Budgeting". Was hingegen nicht zu ändern ist: Wer entscheidet, hat die entsprechende Aufmerksamkeit und kann den Status quo aufrechterhalten. Auch im Kino.

Stärkere mediale Präsenz

Genau hier, nämlich bei der Aufmerksamkeit, setzt der 2010 gegründete FC Gloria an, ein als Netzwerk gedachter, von weiblicher Filmschaffenden gegründeter Verein, der sich die Unterstützung und Stärkung von Frauen in der heimischen Branche zum Ziel gesetzt hat. Organisiert werden – mit Unterstützung der wichtigsten Förderstellen des Landes – Veranstaltungen, entwickelt werden Anreizmodelle, Mentoring-Programme und permanenter Austausch.

Gründungsmitglieder wie die Filmemacherinnen Nina Kusturica (Ciao Chérie), Barbara Albert (Fallen) und Katharina Mückstein (L’Animale) verweisen seither regelmäßig auf die Situation und strukturelle Defizite. Mit den Filmpreisen, darunter der Gloria als Hauptpreis, soll nun verstärkt "die Arbeit von Frauen im Filmbereich sichtbar gemacht und ihre Bedeutung gewürdigt werden", so die Veranstalterinnen. Das Ziel sei "eine stärkere mediale Präsenz" sowie die "Wertschätzung der vielfältigen weiblichen Filmarbeit".

Es geht also um notwendige Bewusstseinsbildung, bei der die Debatte über die ominöse Quotenregelung nicht ausbleibt. Und um Fragen wie etwa jene, warum mehrheitlich Männer um Förderungen für höher budgetierte Filme einreichen. Tatsächlich nur deshalb, weil Frauen in manchen Branchen lieber arbeiten würden als in anderen?

Männlich, hetero, städtisch und gebildet

Das knietief zu durchwatende Zahlenmaterial spiegelt jedenfalls im Grunde jenes Bild, das man täglich zu sehen bekommt. Aufmerksamkeit wird im Kino nämlich in erster Linie noch immer dort erzeugt, wo man hinschaut – auf der Leinwand. Und dort sieht man in einem "typischen" österreichischen Kinospielfilm die meist männliche Hauptfigur als gebildeten, heterosexuellen Städter aus der Mittelschicht. Ohne Migrationshintergrund. Das wirkt (sich aus).

Komplexe Fragen, die der Struktur oder einem System zugeschrieben werden, sind mit einfachen Lösungen nicht zu beantworten. Nicht gesellschaftspolitisch und ebenso wenig in der österreichischen Filmwirtschaft. Der FC Gloria ist hier weniger schlechtes Gewissen – obwohl das mancherorts nicht schaden würde – als steter Tropfen auf dem Stein. Zum Beispiel alle zwei Jahre mit vier kleinen Mahnmalen – oder besser: Erinnerungsstücken. (Michael Pekler, 3.12.2018)