Wien – Die Automatisierung mittels elektronischer Datenverarbeitung ist ja der Stoff, aus dem die Personalbudgeteinsparungsträume mancher Führungskräfte sind, und möglicherweise oft sogar eine gute Idee – solange kein Mensch dazwischenpfuscht. Der Betrugsprozess gegen Gregor G. ist dafür ein gutes Beispiel.

Der 24-Jährige soll im August einen Carsharinganbieter innerhalb von zwei Wochen um 1.973,80 Euro geschädigt haben. Allzu schwer wurde es ihm allerdings nicht gemacht. Der Vorbestrafte erzählt Richter Patrick Aulebauer, ein Bekannter, von dem er nur den Namen "Zerkan" kenne, habe ihm im Sommer einen fremden Führerschein gezeigt und ihn um sein Smartphone gebeten.

"Viele falsche Freunde"

"Sie wissen ja aus meinem Vorstrafakt, dass ich früher sehr viele falsche Freunde gehabt habe", sagt der Angeklagte. "Zerkan" dürfte einer davon gewesen sein. Denn er eröffnete mit dem fremden Ausweis via Internet ein Konto bei einem Carsharinganbieter in Wien. Der Name war der des eigentlichen Führerscheinbesitzers, die Adresse, Kontonummer und Mailadresse allerdings die des Angeklagten.

"Ich habe nicht gewusst, dass er die verwendet", beteuert G. nun. "Er hat nur gesagt, wenn ich einmal ein Auto brauche, kann ich es benutzen und soll ihm das Geld dann bar geben." Das Angebot habe er drei- bis viermal angenommen, insgesamt wurden aber 26 Fahrten verbucht. Erst danach wurde das Profil deaktiviert, da G.s Bankkonto gnadenlos überzogen war und nichts abgebucht werden konnte.

Aulebauer will nicht recht an den geheimnisvollen "Zerkan" glauben. "Da wurde ja Ihre Mailadresse angegeben. Sie müssen ja nach jeder Fahrt automatisch benachrichtigt worden sein!", hält er dem Angeklagten vor. "Nein, ich habe nur Werbung bekommen", behauptet der Angesprochene. "Vielleicht sind die Rechnungen im Spamordner gelandet."

Erfolgreicher elektronischer Bildabgleich

Den Richter interessiert allerdings auch, wie es möglich ist, so einfach ein Carsharingkonto einzurichten, er hat deshalb eine Angestellte des Unternehmens geladen, die es ihm erklärt. "Man muss den Führerschein einscannen und ein Selfie machen und mitschicken. Die Bilder werden dann elektronisch miteinander verglichen, wenn es zu 90 Prozent passt, wird das Konto freigeschalten", erläutert die Frau.

Der Auftritt des wahren Führerscheinbesitzers als Zeuge zeigt aber, dass die optische Ähnlichkeit zwischen ihm und G. überschaubar ist. Das habe auch das Computersystem erkannt, gibt die Firmenvertreterin zu. "Wenn die Fotos nicht übereinstimmen und der Computer das meldet, hat der Kunde die Möglichkeit, sich an unser Callcenter zu wenden, wo das Konto manuell freigeschalten werden kann." – "Man muss nicht selbst erscheinen?", wundert sich der Richter. "Nein."

Bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren lautet das rechtskräftige Urteil zehn Monate Haft, einer davon unbedingt. Ob "Zerkan" existiert oder nicht, spiele keine große Rolle, begründet der Richter, da G. ja auf jeden Fall wissen musste, dass eine Anmeldung mit fremdem Führerschein ungesetzlich sei. G., der bald einen neuen Job bekommen soll, werde den aber wohl mit einer Fußfessel absolvieren können, macht Aulebauer dem Angeklagten Hoffnung. (Michael Möseneder, 16.12.2018)