Die Drogenpolitik der Stadt, die Neuordnung der Sozialleistungen, die Flüchtlingskoordination – Peter Hacker hat alles gemanagt.

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Peter Hacker kann auch leise sein. Zum Beispiel bei seinem Besuch im St.-Anna-Kinderspital: Als die Mutter eines krebskranken Kindes den Wiener Gesundheits- und Sozialstadtrat sprechen will, lässt er seine Entourage einfach stehen. Allein, nur begleitet von der Ärztin des Kindes, betritt er das Krankenzimmer, schweigsam kehrt er nach einiger Zeit wieder. Sympathisch sei das gewesen, sagt eine Ärztin später zum STANDARD.

Peter Hacker kann aber auch laut werden. Zum Beispiel, wenn es um Mindestsicherung geht. Am Sonntagabend in der ORF-Talksendung Im Zentrum wurde Hacker immer wieder laut. Als Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner die Mindestsicherungsreform der Regierung verteidigte, fuhr ihm Hacker mit seiner tiefen Stimme immer wieder in die Parade. Sachlich, einerseits, indem er ihm vorrechnete, was die Regierung alles nicht berücksichtigt habe. Angriffig und persönlich andererseits, indem er mehrfach betonte, es sei "zum Genieren", "unerhört" und eine "Zumutung", was die Regierung besonders Kindern damit antue. Dass etwa das dritte Kind in einer Familie künftig weniger "wert" sein solle als die ersten beiden, hätte er vor allem der "Familienpartei ÖVP nicht zugetraut", sagte der Sozialdemokrat, der sich in seiner Jugend für die katholische Friedensbewegung engagiert hatte.

Eine Dosis Wiener Grant

In Wien werde man diese "Kinderstaffel" jedenfalls nicht umsetzen, sagte Hacker, "jedes Kind ist uns gleich viel wert". Und er wisse, sagte er listig, dass er damit in der Reihe der Soziallandesräte nicht allein stehe. Damit schlug er gleich einmal einen politischen Pflock ein: hier die eiskalte türkis-blaue Regierung, da die soziale Wärmestube in den Bundesländern, besonders im rot-grünen Wien. Dass Hacker hier eine Front "Wien gegen den Bund" aufmacht, hat seinen Grund. Der SPÖ-Kommunalpolitiker wittert bewusste und systematische Benachteiligung Wiens durch die Bundesregierung. Zum Beispiel beim Pflegeregress: Wenn der Bund nicht einlenke, werde er bis zum EuGH gehen, um die Rechte der Stadt einzuklagen, droht Hacker. Während die Spitzenfunktionäre der Sozialdemokratie großteils immer noch mit sich selbst beschäftigt sind, mausert sich Hacker, 51, derweil zum Kämpfer gegen die türkis-blaue Sozialpolitik im Bund. Den Konflikt trägt er augenscheinlich nicht ungern aus – angriffig, pointiert und mit einer Dosis Wiener Grant.

Schon bei seinem Amtsantritt im Juni zeigte sich, dass ihn ÖVP und FPÖ nicht als Jausengegner ansehen. Gerade einmal 16 Stunden Zeit gab ihm die Opposition im Wiener Gemeinderat Zeit, ehe sie ihn mit unangenehmen Fragen zum Krankenhaus Nord bombardierte. Er parierte offenbar gut. "Ich bin zwar häufig nicht seiner Meinung, aber ich schätze ihn als einen Macher", sagt etwa Ingrid Korosec, die Gesundheitssprecherin der Wiener ÖVP.

Auch die Kronen Zeitung, deren liebste Zielscheiben Hackers Vorgängerinnen Sandra Frauenberger und Sonja Wehsely waren, gibt sich vergleichsweise zahm. Als die Wiener FPÖ Hacker vor kurzem vorwarf, in seinem früheren Job beim Fonds Soziales Wien habe er "Unregelmäßigkeiten bei der Flüchtlingshilfe" zugelassen, berichtete die Krone sachlich und ausgewogen. Hackers Darstellung, es handle sich um ein "administratives Problem" und "schlechte Verwaltung", die ihn gleichwohl ärgere, fand breiten Raum im Artikel.

Reform des Krankenanstaltenverbunds

Zum Thema "schlechte Verwaltung" bietet auch Hackers neues Ressort einige Minenfelder: Allein die Reform des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) ist eine Mammutaufgabe. Aber Hacker zeigt sich davon wenig beeindruckt, im Gegenteil: Was nicht gut laufe, werde er umkrempeln, versprach er schon in seinen Antrittsinterviews, denn nichts weniger als eine perfekte Verwaltung verdiene die Bundeshauptstadt. Hacker: "Weil Wien die geilste Stadt der Welt ist." Das kommt an, zumindest bei den Wienern.

Wie man so redet, dass es ankommt, hat Neo-Kommunalpolitiker Hacker von Helmut Zilk gelernt. Der holte den "22-jährigen Rotzlöffel" (Eigendefinition Hacker) einst in sein Büro, nachdem sich dieser in seinem Job bei der Wiener Wohnungskommission gelangweilt hatte. Als Zilk den 29-Jährigen Anfang der 1990er-Jahre zum Drogenkoordinator machte, trafen täglich bis zu 1500 Süchtige und Dealer auf dem Karlsplatz aufeinander. Hacker erarbeitete ein Drogenpolitikkonzept, und er stellte sich in wütend geführten Anrainerdebatten den Ängsten der Bevölkerung. Mit Pragmatismus und einer Portion Wiener Schmäh gelang es ihm etwa, dass die wild bekämpfte Drogenberatungsstelle Ganslwirt am Gumpendorfer Gürtel akzeptiert wurde.

Debatten mit Bürgern liebe er bis heute, sagt Hacker. Alkoholverbot am Praterstern, Essensverbot in der U-Bahn? Für Hacker kein Problem: Essen in Öffis hält er für schlechtes Benehmen. Das Trinken von Alkohol am Verkehrsknotenpunkt Praterstern wäre theoretisch zwar kein Problem – "aber dass die Leut dann hinspeiben, und Tausende müssen drübersteigen, das geht nicht."

Das sagt ausgerechnet Hacker, den man einst zum "linken" Lager in der SPÖ gezählt hat. Er verteidigt nun die "Law and order"-Initiativen des neuen Bürgermeisters Michael Ludwig. Links und rechts hält er selbst allerdings für "Zuschreibungen, die mit der Realität nichts zu tun haben". Seine Zuschreibung als "Linker" geht jedenfalls zurück auf 2015, als er Wiens Flüchtlingskoordinator wurde. Er sorgte damals schnell und unkompliziert für vorübergehende Quartiere und stellte die Versorgung der Ankommenden sicher. Vom damaligen Bürgermeister Michael Häupl abwärts wurde Hacker über den grünen Klee gelobt – auch von den Grünen.

Heute ist Hacker als Gesundheitsstadtrat Wiens größter Arbeitgeber. Allein im Krankenanstaltenverbund (KAV) arbeiten mehr als 30.000 Menschen – mehr als bei den ÖBB beschäftigt sind. Dazu kommt der Fonds Soziales Wien mit knapp 2000 Mitarbeitern, dessen Geschäftsführer er lange Jahre war.

Malen nach Zahlen

Wie führt man ein so großes Ressort? Indem man es in seine Einzelteile zerlegt, sagt Hacker und malt die Prozesse auf, denen sich der KAV stellen müsse: "Patient" steht in einem großen Kreis, "Angehörige" im nächsten, in die Mitte kritzelt er Service – und dazwischen viele verwirrende Pfeile. Was das bedeute? "Service ist das Wichtigste", predigt Hacker. Derzeit würden Patienten in Wiener Spitälern oft so behandelt, als müssten sie froh sein, dass sich überhaupt jemand um sie kümmert. Sie und ihre Angehörigen seien aber Kunden, um die man sich bemühen müsse. Hacker: "Wenn ich ein neues Handy brauche, gehe ich auch nicht zu dem Anbieter mit dem schlechtesten Service." Hier müsse die öffentliche Verwaltung genauso agieren wie ein privates Unternehmen. Hacker sieht sich als Manager, und er sieht darin keinen Widerspruch zu seinem Job als Politiker: Managen heiße machen, umsetzen – und zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Das sei auch die Aufgabe von Politik.

Da hat er allerdings noch einiges vor sich. Vor allem das Missmanagement rund um den Bau des Krankenhauses Nord muss Hacker beseitigen. Gemessen an dem, was der Untersuchungsausschuss alles an schlechter Planung und dilettantischer Umsetzung zutage fördert, könnte ein zarteres Gemüt schier verzweifeln. Doch Hacker wirkt robust mit seinem dröhnenden Lachen und seiner stattlichen Statur. Man traut ihm irgendwie zu, dass es bei ihm keine Skandale um Energetiker geben wird. Er selbst schätzt seine Chancen auf eine Lösung des Krankenhaus-Problems hoch ein: "Mir ist ziemlich klar, was man machen muss."

Genauso wie bei der Mindestsicherung: "Die kann man schon neu ordnen, man muss nur wissen, wie Sozialhilfe funktioniert", sagt Hacker. Da die Regierung das augenscheinlich nicht wisse, könne sie sich gerne an ihn wenden, feixt er. Hacker ist bereit für mehr. (Petra Stuiber, 4.12.2018)