Die Debatte um Homöopathie wird nicht nur an Universitäten, seitens der Patientenanwaltschaft oder von Aussteigern geführt, auch in der Leserschaft potenziert sich die Debatte. So auch beim jüngsten Beitrag "Zauber, Zeit und Zuwendung", der auch die Pro-Homöopathie-Seite zu Wort kommen lässt. Von der Leserschaft wurde das nicht nur einmal eingefordert. Leser Peter Geyer etwa moniert:

"Ich kenne den STANDARD seit vielen Jahren als eine sehr aufgeschlossene und perspektivenweisende Zeitung. Deshalb verstehe ich so gar nicht, warum Sie sich in regelmäßigen Abständen über Alternativen zur Schulmedizin und hier im Speziellen über Homöopathie so einseitig und begrenzt auslassen. Schade."

Entweder-oder?

Leserin Ingrid Neubauer etwa pocht auf Wahlfreiheit:

"Ich verstehe eine Gesellschaft nicht, die sichtlich Freude daran hat, Gräben aufzureißen und Hexenjagden zu veranstalten. Warum nicht jedem seine persönliche Freiheit lassen? Nach Lust und Laune und Verständnis Semmeln und Vollkornbrot, Milch und Sojadrink, Antibiotika und Globuli wählen? Warum um ein Entweder-oder streiten?"

Für die einen wirkungslose Zuckerkugeln, für die anderen wirksame Globuli. Der Streit um Homöopathie ist so alt wie die Methode selbst.
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Wahrheitssuche

Leser Peter Jürß gibt sich neutral und bemüht ein Beispiel von potenziertem Wein im See:

"'Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem, der sie gefunden hat.' (Kurt Tucholsky). Ich stehe der Homöopathie auch skeptisch gegenüber, aber es gibt genug Bereiche, von denen wir nichts wissen. Gibt es weitere Universen?

Wenn jemand ein Fass Chardonnay in den Neusiedler See kippt, dann ist der Wein im Wasser potenziell verdünnt und nicht nachweisbar – aber er ist trotzdem drinnen. Wenn Leute glauben, es nützt, dann soll man sie bei dem Glauben lassen. Wenn jemand an eine heilige Reliquie glaubt, wird man diese Person auch nicht davon abbringen können. Im Gesundheitswesen soll man sich mehr um die wirklich wichtigen Gesundheitsfragen kümmern."

Pflanzliche Wirkstoffe

Poster "Erlingr" erklärt im STANDARD-Forum, dass die Homöopathie-Debatte kein "Kampf Natur gegen Chemie" sei:

"Die meisten denken immer, es ist ein Kampf Natur gegen Chemie. Aber das ist Blödsinn. Es geht ja nicht um Heilkräuter. Pflanzliche Wirkstoffe sind auch absolut wissenschaftlich anerkannt. Der Wissenschaft ist es grundsätzlich mal egal wie es wirkt, sondern die erste Frage ist, ob es wirkt."

Und Poster "suit" ergänzt:

"Die Wirksamkeit wird niemals nachgewiesen werden – im Gegenteil, die Wirkungslosigkeit wurde belegt beziehungsweise die fehlende Wirksamkeit nachgewiesen. Als Hahnemann vor 200 Jahren auf die Idee gekommen ist, war das noch alles ganz anders – da hatte man doch tatsächlich noch geglaubt, es könnte funktionieren."

Vollholler Aderlass

Poster "silentbob79" wirft einen Blick zurück in die Zeit um 1800, als der Arzt Samuel Hahnemann die Homöopathie begründete:

"Nun muss man aber Hahnemann etwas zugestehen: Auch wenn seine Theorien mit dem Simile-Prinzip und der Potenzierung natürlich Mumpitz (oder Vollholler) sind: Er hat den Wert von Hygiene erkannt, und er hat auch erkannt, dass damals übliche Behandlungsmethoden wie Aderlässe dem sowieso schon geschwächten Patienten mehr schaden als nützen. Die meisten Patienten der 'Schulmedizin' (auch eine Wortkreation Hahnemanns) sind nicht trotz, sondern wegen der Behandlung gestorben. Indem er (bewusst) auf Hygiene und (wohl unbewusst) auf die Zeit gesetzt hat, hatte er natürlich bei selbstlimitierenden Krankheiten deutlich bessere Ergebnisse."

Hokuspokus-Praktiken

Die Ärzte Theodor Much, Viktor Weisshäupl, Krista Federspiel, Edmund Berndt von der Initiative für wissenschaftliche Medizin wiederum stoßen sich im Jahr 2018 an "Zauber, Zeit und Zuwendung":

"Wenn Homöopathen gefährliche Krankheiten wie zum Beispiel Mittelohrentzündung bei Kindern mit Zuckerkügelchen behandeln und Kinder deswegen unnötige Schmerzen oder gar Dauerschäden erleiden, ist das keine 'sanfte Medizin'. Es ist auch nicht 'sanft' von Impfungen abzuraten, wie es viele Homöopathen tun. 'Ganzheitlich' ist die Homöopathie schon gar nicht, denn Homöopathen kennen nur Symptome, die sie nach Erhebung einer Anamnese gezielt behandeln. Und 'naturverbunden' ist die Homöopathie auch nicht, außer man zählt potenzierte Schwermetalle, Berliner Mauer, Excrementum Canis, Dioxin oder Mondstrahlen zur Natur. Dass Hautärzte die Neurodermitis allein mit 'schädlichem' Kortison behandeln, stimmt längst nicht mehr. Scheinbar kennt Dr. David die neuen und sehr wirksamen (kortisonfreien) Neurodermitis-Therapien zu wenig.

Die Behauptung, 'dass man die Wirkung der Homöopathie beweisen kann', ist auch total falsch. In bald 200 Jahren ihres Bestehens konnten Homöopathen keine einzige seriöse Studie präsentieren, die solch eine Behauptung zweifelsfrei belegt. Ganz im Gegenteil: Alle seriösen Studien zeigen nur: Homöopathie ist Placebo. Es stimmt zwar, dass Homöopathen (anders als manche 'Schulmediziner') sich viel Zeit für ihre Kunden nehmen, doch die große Mehrheit der Konsumenten kauft ja ihre Globuli in Eigenregie – ganz ohne ausführliche homöopathische Anamnese – und oftmals nur auf Anraten von medizinischen Laien oder Apothekern, die ihre naturwissenschaftliche Ausbildung verleugnen. Der Begriff 'Integrative Medizin' wird von medizinischen Esoterikern gerne missbraucht. Denn in Wirklichkeit bedeutet der Begriff, dass seriöse Ärzte die Zusammenarbeit mit allen Fachrichtungen (Internisten, Chirurgen, Röntgen, Labor, Psychologen et cetera) suchen und auch nachweislich wirksame Naturheilmittel komplementär verordnen. Ganz im Gegensatz dazu verlangen medizinische Esoteriker die Gleichstellung von Scheinmedizin mit der seriösen Medizin und fordern (werbewirksam) eine 'integrative Medizin', in der jeder Unsinn in die wissenschaftlich begründete Medizin miteinbezogen werden soll, also einen 'Dialog' von Hokuspokus-Praktiken mit der seriösen Medizin."

Versöhnliches Hirsekugerl

Eine kleine Lebensweisheit von Poster "Bio-Hirseball":

"Leben und leben lassen. Chillts alle ein bisserl." (4.12.2018)