Der Migrationspakt ist das Feindbild der Nationalisten und Populisten. Die Warnung vor einem angeblichen "Verlust nationaler Souveränität" ist nur die Spitze eines Argumentations-Eisbergs. Aus der Ecke der Verschwörungsgläubigen kommt noch stärkerer Tobak. Gerhard Wisnewski ist im deutschsprachigen Raum einer der Gurus schlechthin. Wisnewski zweifelt am Unfalltod Jörg Haiders, hält 9/11 für eine Inszenierung des US-Geheimdiensts und Chemtrails für gut denkbar. Der ehemalige Journalist und nunmehrige Buchautor setzt seinen für diese Szene unüblichen, scharfen Intellekt geschickt ein, um seinen ebenso kruden wie unappetitlichen Thesen Gehör und seinen Publikationen Absatz zu verschaffen.

Den Migrationspakt sieht er als Verschwörung einer von dunklen Mächten gesteuerten Macht – den Vereinten Nationen. Das Commitment, das am Montag in Marrakesch verabschiedet wurde, analysiert Wisnewski am 11. August 2018 bei der "Anti-Zensur-Konferenz" des Schweizer Sektengurus Ivo Sasek. 

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Der Grundstein dafür wurde laut Wiesnewski im Jahr 1941 von Winston Churchill und Franklin Roosevelt, den "schlimmsten Kriegsherren des Planeten“, gelegt. Ein geschichtsversessener Feinspitz würde das Jahr 1941 noch mit dem einen oder anderen "schlimmen Kriegsherrn" assoziieren. Aber nun gut. Beim Migrationspakt komme laut Wisnewski "die Fratze der Diktatur zum Vorschein".

Der "neue Staatsbürger des Globalstaats"

Der "Ansässige" beziehungsweise der "Einheimische" werde durch den Migrationspakt "komplett entrechtet", der Migrant währenddessen zum neuen "Rechteträger auf unserem Planeten" und damit zum "neuen Staatsbürger des Globalstaates" geadelt.

Wisnewski warnt bedeutungsschwer: Als "Einheimischer" genieße man jedenfalls "nach diesem Pakt keinen Schutz mehr" und rät seinen Gesprächspartnern jovial: "Es kann Ihnen gleich besser gehen, wenn Sie sich schon mal auf die Flucht machen." Das Publikum der Anti-Zensur-Konferenz johlt. Die Veranstaltung ist ein jährliches Hochamt für die Themensetter an der Schnittmenge von Verschwörungsglauben und politischer Esoterik. Wisnewski bietet mit seinen Allegorien reichlich Stoff: für rechtsextreme Schrate, identitäre Kader und Stammtisch-Influencer.

Mit "antirassistischer Propaganda" wurden "wir" gefügig gemacht

Die Uno sei von dunklen Mächten beherrscht, die letztendlich nichts anderes tue, als den angeblichen "Kalerghi-Plan" umzusetzen: Die "Vermischung der Völker" forcieren, um die "weiße Zivilisation" und die Kulturträger Europas zu zerstören. Um das umsetzen zu können, arbeite "man" schon lange mit perfiden Mitteln, um "uns" unter anderem Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auszutreiben. "Man hat unser Immunsystem ideologisch abgeschaltet. [...] Das war das Ziel dieser antirassistischen Propaganda, die wir seit Jahrzehnten hören, diesen globalen Plan vorzubereiten."

Flüchtende auf dem Rettungsschiff "Aquarius".
Foto: APA/AFP/CARLO HERMANN

Rasssimus gegen Einheimische

Außerdem: Der Migrationspakt wende sich "einseitig gegen Rassismus" –nämlich nur dann, wenn er Migranten betreffe. "Rassismus gegen Einheimische" indes werde offenbar toleriert. Aus Saseks Schwurbelplauderstunde mit Wisnewski sickert der neurechte Spin in die Politik, fast wortgleich übernimmt der AfD-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller: "Es ist nichts anderes als ein Rassismus für Zuwanderer zu Lasten Einheimischer." Im österreichischen Rechtsaußenmagazin "Info-Direkt" apportiert der Kolumnist Martin Pfeiffer – er was Chefredakteur der eingestellten FP-Postille "Aula" – das inhaltlich etwas spröde Hölzchen. Ob es die etwas larmoyante Rassismusthese in diesen Tagen schafft, vom einen oder anderen Regierungsmitglied aufgegriffen zu werden, darf mit Spannung beobachtet werden. (Christian Kreil, 11.12.2018)

Leuchtende Augen-Faktor: ☆☆☆☆☆

Umtauschgefahr-Faktor: ★★★★★

Den Beschenkten verärgern-Faktor: ★★★★★

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