Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Fotoidyll vom Metal-Festival im deutschen Wacken.

Foto: dpa

Man ist nicht mehr der Jüngste, wenn man vermehrt E-Mails bekommt, die sich um Themen wie "Sterben im Krankenhaus", "Greifen leistungsorientierte Menschen öfter zu Medikamenten?" oder "Knochenimplantate aus dem Drucker" bekommt. Ganz abgesehen davon, dass einen die Werbung bei Facebook mit T-Shirt-Angeboten von Bands zumüllt, die selbst der Mutter zu altvaterisch wären: Ischias, Hexenschuss und Gicht beginnen langsam Sex, Drogen und Electronic Dance Music abzulösen. Das Post-Dubstep-Duo Ratiopharm grüsst das DJ-Kollektiv Ibuprofen. Hell lies in hello. Neulich ist im Radio eine Sendung gelaufen, in der Vivaldi-Arien mit dem ersten Album von Led Zeppelin gegengeschnitten wurden.

Flanellbettwäsche

Dafür gibt es einen Grund. Ich habe ihn vergessen. Wenn das die Zukunft ist, dann gute Nacht. Überhaupt nimmt man Lärm, der oft gleichzeitig auch Musik ist, zunehmend als störend wahr. Man meidet Lokale, in denen DJs mittels Lautstärke beweisen wollen, was für tolle Hechte sie sind. Alles doppelt nachfragen, weil man kein Wort des Gegenübers versteht, ist frustrierend. Wenn es am Abend dunkel ist und die Kälte die Mauern raufkriecht, verweigert man es vermehrt, noch einmal das Haus zu verlassen. Wer jetzt darüber nachdenkt, sich lange Unterhosen anzuziehen oder Flanellbettwäsche zu kaufen, kann sich gleich die Kugel geben. Es gibt Ausnahmen.

Beuschlreißer

Neulich bei einem Beuschlreißer-Metalkonzert gleichaltriger Leute aus Amerika hat meine Begleitung auf seiner Handy-App 110 Dezibel im Saal gemessen. Das entspricht ziemlich genau der Lautstärke eines startenden Düsenjägers. Die jüngeren Konzertbesucher hatten schwarze T-Shirts an, auf denen grausame Gewaltakte in Comics-Form abgedruckt waren. Viele harte Burschen verwendeten Ohrenstöpsel. Wir trugen Hemd und dezente Freizeitjacke und haben es auch ohne Gehörschutz gut ausgehalten. Nach 3.000 Konzerten wird vieles egal. Die Vibrationen in der Blasengegend waren allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Bedürfnisse verlagern sich im Leben parallel zu den Problemen. Immerhin hat es das Leben noch einmal gut mit uns gemeint. Alles hat gehalten. Zumindest bis jetzt. (Christian Schachinger, 5.12.2018)