Die äußerst artenreiche Gruppe parasitärer Wespen ist nun um diese Neuentdeckung aus der Gattung Zatypota reicher.
Foto: Philippe Fernandez-Fournier

Vancouver – Kanadische Forscher haben im Dschungel von Ecuador eine bislang unbekannte parasitische Wespe entdeckt, die sich ihre Opfer gezielt aus Spinnenkolonien herauspickt. Menschen, die sich vor Gliederfüßern gruseln, können sich hier aussuchen, bei welcher Vorstellung es sie mehr schaudert: der von einem Insekt, das seine Opfer willenlos macht und lebendig auffressen lässt ... oder der, dass es tatsächlich Spinnen gibt, die zu tausenden zusammenleben.

Anelosimus eximius stammt aus derselben Familie wie die berühmt-berüchtigte Schwarze Witwe, ist aber deutlich kleiner. Und sie gehört zu den ganz wenigen Spinnenarten, denen man tatsächlich eine Art von Sozialleben attestieren kann. Tausende oder gar zehntausende Spinnen leben in solchen Kolonien auf engem Raum zusammen, betreiben gemeinsame Brutpflege und sorgen auch gemeinsam für Nahrungsnachschub. Im Kollektiv können sie deutlich größere Tiere erbeuten, als es einer der nur wenige Millimeter kleinen Spinnen alleine möglich wäre.

Tödliches Gepäck: Die Wespenlarve hat sich am Hinterleib der Spinne festgesetzt.
Foto: Philippe Fernandez-Fournier

Das Zusammenleben bringt den Spinnen offenbar nur Vorteile. Es schützt sie aber nicht, wenn eine der nun entdeckten Zatypota-Wespen angeschwirrt kommt. Das Wespenweibchen legt ein Ei auf dem Hinterleib der Spinne ab, aus dem eine Larve schlüpft und die Körperflüssigkeit der Spinne anzuzapfen beginnt.

Gleichzeitig übernimmt die Larve offenbar die chemische Steuerung des Spinnenhirns: Sie bringt die Spinne dazu, sich aus der Kolonie zu entfernen – etwas, das Anelosimus-Spinnen normalerweise nie tun würden – und abseits davon aus Seide und Blattresten einen Kokon zu spinnen. Auch das ist eine Aktivität, die nicht dem normalen Verhalten der Spinnen entspricht.

Nachdem die Made der Spinne schließlich die letzte Hämolymphe, also den Lebenssaft, abgezapft hat, bezieht sie gemütlich das "Haus", das sie sich von ihrem Opfer bauen hat lassen, und verpuppt sich darin. Der Biologe Philippe Fernandez-Fournier von der University of British Columbia kam dieser komplexen Form von Parasitismus auf die Schliche, als er eine Spinne beim Anlegen des Kokons beobachtete und sich über ihr Verhalten wunderte. Er nahm den Kokon mit ins Labor, um zu sehen, was daraus schlüpfen würde – und siehe da, es war eine Wespe.

Diese Spinne liegt in ihren letzten Zügen.
Foto: Philippe Fernandez-Fournier

Zatypota ist der Name einer Gattung aus der Familie der Schlupfwespen. Einen Speziesnamen hat das neuentdeckte und im Fachmagazin "Ecological Entomology" vorgestellte Tier noch nicht erhalten. Seine Entdecker werden sich aber sicher noch etwas einfallen lassen, das ihrer Bewunderung für die tückische kleine Parasitin entspricht. Studienkoautorin Samantha Straus, die die von der Wespe betriebene Verhaltenssteuerung wörtlich als "so hardcore" bezeichnete, hat sich sogar ein Tattoo der Wespe stechen lassen. (jdo, 8. 12. 2018)