Die Gut hat ein neues Album gemacht. Die legendäre Berliner Musikerin durchmisst darauf die Nacht, ohne ihre Haltung zu vernachlässigen. Der Name ist das Zeichen.

Mara von Kummer

Haltung und Konsequenz werden gerne mit Sturheit verwechselt. In der Kunst zählt beides, die Deutungsmöglichkeiten sind vielfältig. Gudrun Gut spielt damit ein souveränes Spiel. Die sture Unerbittlichkeit elektronischer Beats hat darin ihren Stammplatz – ebenso wie die Botschaften des Feminismus. Auf Gudrun Guts neuem Album Moment verschränkt sie beides miteinander. Ist das Wort souverän schon gefallen?

"Baby, I can drive my car, in Saudi Arabia" liegt da im Clinch mit einer Interpretation von David Bowies Boys Keep Swinging. Damit verortet sich Gut in Berlin. Dort zog sie einst hin, dort wirkt die 60-Jährige seit den späten 1970ern im Untergrund mit. Sagen wir’s, wie es ist: Gudrun Gut ist eine Legende. Wenn sie heute wie eine Diva wirkt, die man "die Gut" ruft, so ist das nur gerecht. Es ist die Adelung eines gereiften Görs, dem Punk einst Erweckungserlebnis war.

Gudrun Gut 2018: Baby, I can drive my Car.
Gudrun Gut - Topic

Damals bemerkte sie auch, dass das eine ziemliche Bubenparty ist, und dem wollte sie etwas entgegen halten. Gut war Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten, gründete die Weiber-Supergroup Mania D sowie die daraus entstandene Formation Malaria! – mit Bettina Koestner, die heute in einem ähnlichen Rang steht wie Gut. Dazu passt das kleine Abbild der Aretha Franklin auf dem Cover ihres neuen Albums, das wie ein stiller Gruß an die große Wegbereiterin wirkt.

Sonorer Gesang

Wie Koestner ist Gut nie stehengeblieben, hat Techno als Fortsetzung des Punk mit anderen Mitteln begriffen, mit Monika Enterprise ein eigenes Label gegründet und immer wieder Musik veröffentlicht.

Jene auf Moment wirkt lässig zeitlos. Der Synthie erinnert an die hohe Zeit analoger Geräte. Brutzelnde Bässe, knappe Melodien und dazu Guts sonorer Gesang, der sich in einem Stück wie Musik nachgerade lasziv seinem Sujet verschreibt. "Musik kann das sein, Musik hol mich zurück, in die Nacht, hol mich da raus ..."

Instrumentale Kleinode

Dazu läuft das Kopfkino: Der Film erzählt eine Geschichte aus einer Zeit, in der Musik lebensverändernd sein konnte. Nicht bloß ein Accessoire, sondern ein Identitätsausweis der Eingeweihten, kein Deppenmerkmal, das dem Smartphone entfährt.

Um derlei Wirkung zu entfalten, lässt sich Gut Zeit: Ein Song dauert so lange, wie er braucht. Dazwischen ergeht sie sich in einigen Instrumentals. Die sind nicht alle Gold, mit einigen weniger klänge das Album dichter, doch Gut gönnt sich derlei Kleinode, scheiß drauf.

Verlorenheit und Halt

Außerdem legt sie ja ohnehin nach. Titel wie Lover oder Glieder besitzen wieder jene Autorität, die ihre Synthiesounds in den besten Momenten besitzen. Widerwillig groovende Songs, die man sich ein wenig erarbeiten muss. Diese Musik fährt ein, ohne sich dafür gefällig zu machen. Nachts wirkt sie am besten, da erweist sie sich als verlässlicher Begleiter in kalten Häuserschluchten. Wo bin ich, wohin soll ich? Verlorenheit und Halt tanzen einen Slowfox im Technobunker. (Karl Fluch, 5.12.2018)