Der Handel will generell hochpreisige Milch in den Regalen, sagt Agrarexperte Franz Sinabell.

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Wien – Der Wettlauf der österreichischen Handelsketten um höhere Standards für Biolebensmittel drängt kleine Betriebe ins Abseits und treibt den Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft voran: Agrarökonomen ziehen eine kritische Bilanz über die derzeit rasant wachsenden Auflagen der Supermärkte für ihre Lieferanten.

Wie berichtet schraubt der Diskonter Hofer nach einem Vorpreschen der Rewe Richtlinien rund um das Tierwohl für Milchbauern stark nach oben. Sie sollen künftig ihren Kühen neben Laufställen ganzjährig täglich Auslauf bieten, was Höfe in steilen Berglagen und im Nebenerwerb personell wie finanziell an ihre Grenzen bringt.

Eine Abgeltung von zwei Cent pro Kilo Biomilch für den Mehraufwand sei vor allem für Betriebe mit nur 60 bis 70 Tonnen jährlich zu wenig, um die zusätzlichen Kosten abzufedern, sagt Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik.

Zu kurze Übergangsfristen

Übergangsfristen von zwei, drei Jahren seien zu kurz, zudem brauche es mehr begleitende Maßnahmen. Kirner führt die Gründe für die neuen Auflagen, die neben der Rinder- auch die Geflügelhaltung betreffen, weniger auf die Wünsche der Konsumenten als auf den Wettbewerb innerhalb des Handels zurück. "Wir beobachten derzeit ein Lizenzieren nach oben auf dem Rücken der Landwirte."

Für Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, geraten nun viele Betriebe "in eine Falle", da sie in maßgeschneiderte Produkte für einen Abnehmer investierten. "Dieser hat dann den Hebel, sie zu zwicken. Natürlich nicht so stark, dass alle davonlaufen." Der Handel wolle generell hochpreisige Milch in den Regalen, die überdies der Abgrenzung zur Konkurrenz diene. Mitziehen könnten jedoch nur risiko- und investitionsfreudige Produzenten. Wobei Sinabell auch diese scheitern sieht – wenn etwa Stallausbauten innerhalb des Ortsgebiets nicht zugelassen werden.

Keine starken Bioeigenmarken in Molkereien

Sich als Produzent auf eigene Beine zu stellen ist im Milchsektor schwer möglich. Auch Molkereien fehlen starke Bioeigenmarken. Bemühungen der Landwirte, Milch spezieller Kleinrassen oder von Kühen mit Hörnern einer breiten Palette von Abnehmern anzubieten, stecken noch in den Kinderschuhen. Gelungen ist dies aus Sinabells Sicht bei der Heumilch.

Für Alois Burgstaller, langjähriger landwirtschaftlicher Berater, fehlen messbare Standards für artgerechte Tierhaltung. Wer wisse, ob Monate auf der Alm nicht einzelne Tage im Winter rechtfertigten, in denen Kühe und Kälber im Stall blieben? Der geforderte tägliche Austrieb bleibe zudem meist an den Bäuerinnen hängen. Burgstaller erwartet noch stärkere Abwanderung der Milchproduktion aus Randgebieten – das sei wohl nicht im Sinne der Konsumenten. (Verena Kainrath, 5.12.2018)